Irgendwie scheinen sie immer die Vorreiterinnen zu bleiben. Egal, was sie machen, die vier Powerfrauen Sybille Mauz, Petra Vogel, Wiltrud Krimmer und Jutta Krehl vom Verein „Gemeinsam statt Einsam“ bleiben Vorbild und Wegbereiterinnen auf einer oftmals steinigen Strecke. Auf ihre Erfahrungen mit der von ihnen gegründeten Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz in Kirchheim wollen viele zurückgreifen, denn ein Umbruch steht an: Die Frauen der ersten Stunde wollen sich nach 13 beziehungsweise 17 Jahren zurückziehen.
Die WG startete im Jahr 2005 nach einer vierjährigen Vorlaufzeit. Die Mütter der Initiatorinnen sind verstorben, jede von ihnen will sich nun neu orientieren. „Uns liegt sehr daran, dass der Verein und die Wohngemeinschaft auf einen guten Weg in die Zukunft geführt werden“, erklärt die Vorsitzende, Sybille Mauz. Der reibungslose Übergang beschäftigt im Moment nicht nur die Gründerfrauen, sondern auch Brigitte Hartmann-Theel, Leiterin der Abteilung Soziales in der Kirchheimer Stadtverwaltung, und Staatssekretärin Bärbl Mielich von den Landtags-Grünen, die zu Besuch in der WG war.
Expertin entwickelt weiter
„Gemeinsam statt Einsam“ hat über das Landes-Programm „Allianz für Beteiligung - Gut Beraten!“ Fördergelder im Wert von 4 000 Euro in Form von Beratungsgutscheinen erhalten. Verein und Stadt konnten Iren Steiner vom Institut für angewandte Sozialwissenschaften Stuttgart als Moderatorin gewinnen, die den Weiterentwicklungsprozess begleitet und mit neuen Ideen zu einem guten Ende führen will.
Dank guter Kontakte zu Sybille Mauz ist Ulrike Sellmer von der Beratungsstelle für hilfs- und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige in Sindelfingen im Verein seit vergangenem Jahr mit dabei. Bislang stemmten die Frauen und ihre Mitstreiterinnen die gesamte Arbeit im Ehrenamt - nicht mal vor der Gründung einer eigenen Firma schreckten sie im Jahr 2011 zurück, als sie mit den Bedingungen des von ihnen beauftragten Pflegedienstes nicht mehr einverstanden waren. „Uns ist aber klar, dass eine Fortführung der Wohngemeinschaft nicht mehr auf ehrenamtlicher Basis möglich sein wird. Es braucht einen hauptamtlichen Geschäftsführer“, sagt Sybille Mauz.
Als sehr hilfreich empfinden die Vereinsfrauen die Arbeit von Iren Steiner, die das Eckpunktepapier gestaltet und in Kirchheim gut vernetzt ist. Bis Jahresende stehen weitere gemeinsame Termine im Kalender. An dem qualitätvollen Angebot für die WG mit seiner Wohnlichkeit soll sich nichts ändern. Dazu gehört auch die umfassende Betreuung, zu der unter anderem zwei regelmäßige Kräfte, Praktikanten und Pflegefachkräfte gehören. Dazu kommen die vielen ehrenamtlich geleisteten Stunden. „Die Alltagsbegleiterinnen sind unsere Angestellten und mit einem Pflegedienst haben wir eine Kooperation“, so Sybille Mauz.
Ihr Wissen und ihre Erfahrung haben die Frauen gerne weitergegeben und dazu viele Besucher in ihrer WG empfangen. Für eine Übergangsphase soll das möglichst so bleiben. Die Frage nach einer Nachfolgeregelung ist für Iren Steiner überfällig. In ihrem Konzept will sie die Neuorientierung in der Altenhilfe berücksichtigen. Dazu gehört beispielsweise die sozialräumliche Orientierung. Unabdingbar ist aus ihrer Sicht bürgerschaftliches Engagement, etwa ein Unterstützerverein. „Das ist dann ein Lobby-Verein für den WG-Typ“, so Iren Steiner.
Von Kirchheim nach Tübingen
Bislang sind die Frauen mit dem Tagesgeschäft ausgelastet, künftig sollen sie davon befreit sein und ihr Wissen weitergeben, so die Überlegung der Moderatorin. Die gute Arbeit von „Gemeinsam statt Einsam“ hat sich bis nach Tübingen herumgesprochen. Die Nestbau AG, eine Bürger-Aktiengesellschaft im Wohnungsbau, will auf dem Steingau-Areal in Kirchheim eine Demenz-WG mit zwölf Bewohnern realisieren. Die Firma ist auf den Verein mit der Frage zugekommen, ob er sich an dem Projekt beteiligen will. Der Bedarf ist vorhanden, wie die Warteliste des Vereins zeigt, auf der 16 Namen stehen. „Die Frauen können sich nicht plötzlich um zwei WGs kümmern, das ist eine ganz andere Größenordnung“, sagt Iren Steiner. Am besten wäre aus ihrer Sicht eine kontinuierliche Zusammenarbeit, damit keine Konkurrenzsituation entsteht.