Coronavirus

Die Lücken werden größer

Coronavirus Am Wochenende könnte erstmals flächendeckend der Sportbetrieb ruhen. Viele Vereine erwarten mit Spannung und wachsender Ungeduld eine Entscheidung ihrer Verbände. Von Bernd Köble

Die HSG Owen/Lenningen wird von vielen Handballvereinen in der Bezirksliga um ihre Zuschauerkulisse beneidet. Statt vollen Ränge
Die HSG Owen/Lenningen wird von vielen Handballvereinen in der Bezirksliga um ihre Zuschauerkulisse beneidet. Statt vollen Rängen beim erwarteten Top-Duell gegen Uhingen könnte die Halle am Sonntag leer bleiben.Foto: Markus Brändli

Die Lage ändert sich fast stündlich. Immer mehr Städte und Gemeinden sprechen sich angesichts der Ausbreitung des Coronavirus für eine Absage sämtlicher Sport- und Kulturveranstaltungen aus - unabhängig von Größe und Zahl der Teilnehmer. Die Stadt Kirchheim hat ihre Empfehlung am Dienstag zur Mittagszeit herausgegeben. Die Stadt Weilheim zog inzwischen nach, und auch in Lenningen war eine gleichlautende Erklärung gestern Nachmittag in Arbeit. Zum ersten Mal überhaupt könnte das sportliche und kulturelle Leben am Wochenende völlig zum Erliegen kommen.

WFV mit Videokonferenz

Inwieweit dieser Fall eintritt, hängt vom Urteil der Vereine und Sportverbände ab, denn ein Veranstaltungsverbot gibt es bisher nicht. Das könnte sich frühestens heute ändern, wenn sich die Regierungs- chefs der Länder zu ihrer Konferenz in Berlin treffen. Der Entscheidungsspielraum, der bis dahin gilt, sorgt an der Basis für Unmut. Im Württembergischen Fußballverband (WFV) und im Handballverband Württemberg (HVW) tagten hinter verschlossenen Türen gestern die zuständigen Gremien. Im WFV fand das Ganze per Videokonferenz statt, beim HVW holte man nach der Präsidiumssitzung am Dienstag gestern Justitiare ins Boot, um die rechtlichen Folgen möglicher Spielabsagen zu diskutieren. Offizielle Erklärungen lagen bis Redaktionsschluss gestern noch keine vor. Zumindest in den lokalen Fußball-Ligen ging man bis gestern davon aus, dass gespielt wird.

Knights haben Pause

Die 2. Basketball-Bundesliga hat die Reißleine gezogen und wegen des Coronavirus sämtliche Spiele am Wochenende abgesagt, darunter auch das Heimspiel der Knights am Samstag gegen Bremerhaven. Dies gilt vorläufig nur für den 30. Spieltag und für alle Play-off- und Play-down-Spiele in der Pro B, die an diesem Wochenende hätten stattfinden sollen. Wie es danach weitergeht, will die Liga in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am Montag gemeinsam mit den Klubvertretern entscheiden. Dass die Saison vorzeitig ergebnislos beendet wird, so wie das im Eishockey bereits der Fall ist, gilt als nicht mehr ausgeschlossen.

Handball-Schlager auf der Kippe

Weiterhin Rätselraten auch bei den Handballern: „Ich hoffe, dass spätestens bis Freitag Klarheit herrscht“, sagt Riccardo Bauer, Abteilungsleiter der Handball-Spielgemeinschaft Owen/Lenningen. In der Lenninger Sporthalle soll am Sonntag vor Rekordkulisse das vermutlich entscheidende Duell um die Bezirksliga-Krone ausgetragen werden. Gegner des Spitzenreiters ist der Tabellenzweite HT Uhingen/Holzhausen. „Wir machen uns schon Gedanken über eine Absage“, meint Bauer. „Die Lage spitzt sich zu.“

Nicht nur Bauer, auch Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht hofft darauf, dass sich der HVW klar positioniert. Die Gemeinde hat dies bereits getan und eine Absage aller Veranstaltungen empfohlen. Der erste, der dem Aufruf folgte, ist der TSV Oberlenningen, der seine für Freitag geplante Hauptversammlung abgeblasen hat. Ob das auch fürs Handballspiel mit fast 600 Zuschauern gilt, ist zur Stunde offen. „Wir können nur Empfehlungen aussprechen und keine Spiele absagen“, sagt Schlecht. Für sich hat er eine Entscheidung bereits gefällt: Als regelmäßiger Stammgast bei HSG-Heimspielen wird er am Sonntag nicht in die Halle gehen, sollte die Begegnung stattfinden. „Ich muss schließlich meine Arbeitskraft erhalten“, meint Lenningens Schultes.

Die Zeichen auf Absage stehen vor dem nicht minder brisanten Duell in der Handball-Bezirksklasse zwischen Tabellenführer TSV Weilheim und dem Verfolger aus Zizishausen. Gestern Abend fand in Weilheim eine kurzfristig anberaumte Krisensitzung statt. „Ich gehe davon aus, dass wir nicht spielen“, teilte TSV-Sportchef Harald Lehmann am Nachmittag mit. „Die Empfehlungen der Stadt sind glasklar. Gesundheit geht in diesem Fall vor.“ Auch die für morgen Abend angesetzte Abteilungsversammlung der Handballer soll gestrichen werden.

Im Ulmer Stadtteil Söflingen hingegen will man am sonntäglichen Spielplan festhalten. Um 17.30 Uhr empfängt die vom Owener Steffen Klett trainierte Erste Mannschaft die Spielgemeinschaft aus Herrenberg zum Oberliga-Duell. Zuvor erwartet die „Zweite“ der TSG den VfL Kirchheim in der Landesliga. VfL-Abteilungsleiter Uwe Hamann hat kein Problem damit, zu spielen. Im Vergleich mit vielen Gastgebern am Wochenende kann er froh sein: „Über unser eigenes Heimspiel“, sagt Hamann, „müssen wir zum Glück erst nächste Woche entscheiden.“

Absagen, Anfragen, Aufregung: Wie andere Sportvereine in der Region auf das Coronavirus reagieren

Der TSV Ötlingen hat den für 22. März geplanten Festakt anlässlich seines 125-jährigen Bestehens im evangelischen Gemeindehaus abgesagt. Ein Ersatztermin steht noch nicht fest. „Solange niemand weiß, wann die Lage sich entspannt, können wir den Festakt nicht neu ansetzen“, sagt die Vereinsvorsitzende Helga Spieth, die mit 120 Gästen gerechnet hatte. Ob die TSV-Hauptversammlung am 24. April stattfinden kann, bleibt offen. „Wenn sich die Lage verschärft, sagen wir ab“, betont Spieth. Den Abteilungen sei die Entscheidung über eigene Versammlungen freigestellt.

Beim VfL Kirchheim vermisst Fußballabteilungsleiter Marc Butenuth direkte Vorgaben von höheren Ebenen. „Solange der WFV den Spielbetrieb nicht stoppt, gehen wir davon aus, dass alle Pflichtspiele stattfinden“, sagt er. Heimrecht hat der VfL am Wochenende unter anderem bei den A- und C-Junioren. Butenuth empfiehlt den über 400 Mitgliedern, Hallenturniere, Elternabende oder ähnliche Veranstaltungen abzusagen. „Wir versuchen, mit kühlem Kopf, der nötigen Gelassenheit aber auch der gebotenen Vorsicht zu handeln“, sagt er.

Die Turnabteilung des VfL hat den Wettkampftag der Männer-Oberliga und Bezirksliga in der Raunersporthalle am kommenden Samstag sicherheitshalber abgesagt. Der Schwäbische Turnerbund (STB) hatte den Vereinen die Entscheidung darüber freigestellt. VfL-Geschäftsstellenleiterin und Trainerin Michaela Pohl verzichet aus Sorge um die Gesundheit ihrer Sportlerinnen außerdem auf die Teilnahme an den Baden Open am Samstag in Herbolzheim. „Nachdem das benachbarte Elsass zum Risikogebiet erklärt worden ist, wäre uns das zu heikel“, sagt sie.

Der SVL Kirchheim hat seine traditionelle Skiausfahrt zum Saisonabschluss ins italienische Livigno Anfang April gestrichen. „Das Hotel, in dem wir seit 15 Jahren zu Gast sind, hat seit Sonntag geschlossen. Der Betreiber hat uns unsere Anzahlung aber problemlos erstattet“, sagt der stellvertretende Vereinsvorsitzende Bruno Panni. In einer heutigen Ausschusssitzung soll außerdem über die Oster-Freizeit im vereinseigenen Skihaus in Schopfloch beraten werden. „Wir tendieren aus Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedern zu einer Absage“, so Panni.

Der TTV Dettingen ist am Samstag Gastgeber des Volleyballspiels der Regionalligafrauen gegen Mannheim. Nachdem der Verband (noch) keine flächendeckenden Absagen verkündet hat, geht TTV-Abteilungsleiterin Clarissa Preuß davon aus, „dass wir spielen“. Mögliche Geisterspiele hält sie vor dem Hintergrund des im Volleyball überschaubaren Zuschauerzuspruchs für sinnlos. Zumal dies die Ansteckungsgefahr für die Spieler nicht senken würde. „Beim Volleyball hat jeder den Ball mal in der Hand. Wenn jemand infiziert ist, bringen Geisterspiele nichts.“ Peter Eidemüller