Kirchheim
Die Preise am Holzmarkt explodieren

Handwerk Zimmerer und Bauherren ächzen unter extremen Kostensteigerungen. Liefertermine lassen sich wegen des Baustoff-Engpasses oft nicht halten. Ein Grund liegt im stark gestiegenen Export. Von Anke Kirsammer

Noch kann Andreas Banzhaf gar nicht fassen, was er derzeit erlebt. Baustoffe, die er sonst innerhalb weniger Tage auf dem Hof seines Kirchheimer Holzbaubetriebs hat, lassen jetzt viele Wochen auf sich warten. Für die Anfrage des Teckboten findet der Obermeister der Zimmerer-Innung Esslingen-Nürtingen kaum Luft: „Es ist zeitraubend, allem hinterher telefonieren zu müssen“, sagt er. Sein nervenaufreibender Job besteht momentan darin, zu einigermaßen vernünftigen Preisen Material herbeizuschaffen.

Bundesweit schlagen Holzbaufirmen Alarm, weil der Markt für dringend benötigte Baustoffe leergefegt ist. Dachlatten beispielsweise bekam Andreas Banzhaf bis vor zwei Monaten in drei Tagen geliefert. „Minimum sind jetzt sechs bis zehn Wochen“, sagt er. Die unvorhersehbare Knappheit hat Folgen für Bauprojekte. Greift bei einem sauber durchgetakteten Bau normalerweise ein Rädchen ins andere, müssen zurzeit nicht selten sämtliche Gewerke verschoben werden, weil es am Anfang der Kette stockt. Magengrimmen bereitet Andreas Banzhaf das Gespräch mit einem Bauherren, dessen Bauprojekt Anfang Mai starten sollte. 95 Prozent des benötigten Materials sei da. „OSB-Platten, die wir als Decke einziehen wollen, haben aktuell aber eine Lieferzeit von zweieinhalb Monaten“, sagt der Zimmerermeister. Wie so oft kann der Chef der Holzbaufirma auch hier nur auf Verständnis des Bauherren hoffen.

Die nicht kalkulierbaren Termine sind das eine, die nach oben schnellenden Kosten das andere. Schwankte der Preis für Bauholz bis Dezember zwischen 275 und 350 Euro pro Kubikmeter, so liegt er aktuell bei schwindelerregenden 750 bis 1000 Euro. „Ein Dachstuhl für ein Einfamilienhaus kostet damit bis zu 5000 Euro mehr als noch vor ein paar Monaten“, rechnet Andreas Banzhaf vor. Bei einem Haus in Holzbauweise müsse man 20 000 bis 30 000 Euro mehr einkalkulieren.

Verlässliche Angebote lassen sich derzeit gar nicht erstellen. Wie Jochen Eber, Geschäftsführer des gleichnamigen Lenninger Holzbauunternehmens sagt, erfährt er teils erst Wochen nach der Bestellung, was die Baustoffe kosten. Das ist für seine Kunden und ihn gleichermaßen unbefriedigend. Hinzu kommt: Inzwischen sind auch viele andere Baustoffe knapp. Um Mineralwolle zu beschaffen, musste Jochen Eber in den vergangenen Tagen drei Lieferanten abklappern. Damit er künftig auf der sicheren Seite ist, geht er jetzt dazu über, Material deutlich früher als bislang zu ordern.

Der Weltmarkt wird bedient

Für die aktuelle Dynamik hat Andreas Banzhaf ein ganzes Bündel an Erklärungen: „Zu viel Holz geht in den Export“, moniert er. Besonders China und die USA bedienen sich am europäischen Markt. Waldbrände ließen den Bedarf nach oben schießen. Weil sie für Holz aus Kanada teure Einfuhrzölle bezahlen müssen, ist es für die Vereinigten Staaten billiger, es aus Europa zu importieren. Die großen Sägewerke bedienen den Weltmarkt und verkaufen das Holz an die Abnehmer, die am meisten bezahlen. Während er den wenigen „Globalplayern“ vorwirft, den Engpass zu nutzen, um die Preise hoch zu treiben, nimmt er die kleinen Sägewerke in Schutz. „Die sind genauso betroffen wie wir“, so Andreas Banzhaf. Ein Übriges tut aus seiner Sicht die Holzbauoffensive der baden-württembergischen Landesregierung. Dadurch sei der Bedarf gestiegen. Wo möglich, werden nicht nur sämtliche landeseigene Gebäude aus Holz errichtet. Auch die Landesbauordnung wurde angepasst und Vorschriften für den Holzbau vereinfacht. Nachdem im vergangenen Jahr besonders viele Bäume eingeschlagen worden waren, sei die Ernte dieses Jahr zurückgefahren worden. Dabei betont der Innungs-Obermeister: „Wir haben in Deutschland genügend Holz. Es wächst bedeutend mehr nach als wir brauchen.“

Eine Möglichkeit, dem ausufernden Export einen Riegel vorzuschieben, besteht nach Ansicht von Andreas Banzhaf in Ausfuhrzöllen. „Wir bräuchten eine bundesweite Kontingentierung“, überlegt er. Konkret hieße das: „Was wir selbst benötigen, behalten wir, was darüber rausgeht, kann in den Export.“ Doch erst einmal müssen die Holzbaubetriebe und die Bauherren wohl mit den hohen Preisen und den Lieferengpässen leben. Fürs dritte Quartal geht der Fachmann noch nicht von einer Entspannung aus.