Können Apparate eine Persönlichkeitsstörung entwickeln? Beim alten Damenrad, das da ganz unauffällig vor dem Kornhaus angekettet ist, scheint das der Fall zu sein. Dieses Fahrrad versteht sich selbst als Kirchturm und schlägt mit seiner Glocke die Viertelstunden und Stunden. In der Computersteuerung stecken viele Stunden Arbeit, der kleine Kasten verbirgt sich im Drahtkorb auf dem Gepäckträger. Die Glocke schlägt tatsächlich genauso wie eine Kirchturmuhr: zuerst die Viertelstunden, dann in anderer Tonlage die vollen Stunden. Hausmeister Herbert Attinger wollte ganz fürsorglich die Papiertüten im Drahtkorb entfernen, doch halt: Diese hatte der Künstler Johannes Vogl extra hineingelegt. In Berlin, wo er lebt, sagte er, ist solcher Abfall in Drahtkörben von abgestellten Fahrrädern ganz normal.
Drinnen im Erdgeschoss steht der Besucher vor einem schwarzen Vorhang. Auch er ist ein Kunstwerk. Er wird von Baustrahlern angestrahlt und von Ventilatoren in Bewegung versetzt. Der Durchgang zwischen dem Vorhang führt zu drei weiteren Werken. Das eine, die Installation „Dach“ aus dem Jahr 2016, imitiert täuschend echt das Geräusch von Regen. Dieses Geräusch entsteht durch lange Walzen mit Drähten, die sich über einen Bewegungsmelder zu drehen beginnen und über das Wellblech schleifen. Warum so etwas bauen, wenn es doch echten Regen gibt? Er habe, schreibt der Künstler in seinem Buch, den Regen auf Knopfdruck haben wollen.
Weit weniger beruhigend und sehr viel unangenehmer sind die Geräusche, die bei der Installation „Essen/Supper“ entstehen. Durch eine spinnenartige Befestigung kratzt das Besteck über die weißen Teller. Die fünfte und letzte Installation heißt „The Night“ und besteht aus einem Diaprojektor, einer Pendeluhr, Aluminium, Messing und Kabel. Eingeschaltet und aufgezogen, vollführt ein auf die Wand projizierter Mond eine Bewegung.
Bei der Vernissage führte Dr. Heiderose Langer, Kuratorin und neues Mitglied im Kunstbeirat, in die Werke ein. Sie beschrieb die Ausstellung als „Maschinentheater“. Die eigensinnigen Apparate von Johannes Vogl seien nicht funktionell im herkömmlichen Sinne und auch nicht rational beherrschbar. „Sie sind nutzlos und machen scheinbar, was sie wollen. Es sind Maschinen, die ihre anarchistische Freiheit, ihre Unordnung und Ordnung, ihre Fähigkeiten und ihr Scheitern zur Schau stellen.“
Und das verwendete Material? Seit dem Readymade-Konzept von Marcel Duchamps gilt das Prinzip, dass sich jedes beliebige Material, vor allem gekaufte, gebrauchte und gefundene Werkstoffe sowie Alltagsdinge, durch den Transfer in den Kontext der Kunst in ästhetische Objekte verwandeln lassen. Motoren, einfache elektronische Schaltungen, Licht und Töne verleihen den Skulpturen eine eigene Lebendigkeit. „Sie wirken in ihrem Tun befremdlich und anziehend zugleich.“