Kirchheim

Die Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf

Wiedereröffnung Michael Holz hat gestern als erster in Kirchheim sein Lokal geöffnet: Im „3K“ in der Dreikönigstraße konnten sich die Gäste schon morgens um 6 Uhr an die neuen Corona-Regeln gewöhnen. Von Andreas Volz

Das Frühstücksangebot zur Feier des Tages: Kaffee, Burger, Teckbote. Als Überraschung servierte Michael Holz (unten mit Plexigla
Das Frühstücksangebot zur Feier des Tages: Kaffee, Burger, Teckbote. Als Überraschung servierte Michael Holz (unten mit Plexiglasvisier) gestern im „3K“ auch noch Sekt und Riesenerdbeeren. Fotos: Carsten Riedl

Es ist kurz nach 6 Uhr am Montagmorgen. Wochenbeginn, ein normaler Werktag: In einer Wirtschaft in der Kirchheimer Dreikönigstraße sitzt ein Gast an der Theke, liest Zeitung und bekommt einen Kaffee serviert. Alltäglicher geht es nicht mehr, sollte man meinen. Mit Alltag hat diese Szene aber rein gar nichts zu tun - höchstens mit einem Alltag, wie man ihn in einem früheren Leben kannte, also vor mindestens neun Wochen.

Dass es kein Alltag ist, zeigt sich am Blitzlichtgewitter: Von links und rechts stürzen sich Fotografen auf die scheinbare Alltagsszene. Der Gast ist aber weder Film- noch Fußballstar, und er war auch noch nie im Dschungelcamp. Das Spektakuläre an ihm ist wirklich nur das, was er tut. Noch einmal: Er sitzt da, liest Zeitung und bekommt einen Kaffee serviert.

Das ist so sensationell, dass es nicht nur eine Erwähnung in der Tageszeitung verdient. Das Foto ist vielmehr ein historisches Dokument: Es hält einen der ersten Gäste fest, die nach wochenlanger Corona-Sperre in einer Kirchheimer Wirtschaft bedient werden. Er ist nicht der einzige. Gekommen sind viele Freunde und Wegbegleiter des Gastwirts. Man kennt sich, man schätzt sich, man freut sich. Lehrer, Politiker, Pfarrer, städtische Bedienstete, aber auch Jäger und Gastronomen-Kollegen treffen sich hier vor Arbeitsbeginn und feiern die Wiederbelebung der Wirtschaft.

Fast hätte Michael Holz das „3K“ gestern um 6 Uhr wegen Überfüllung gleich wieder schließen müssen. Aber nur fast. In normalen Zeiten hätte man sein Lokal als erstaunlich gut besucht empfunden, angesichts der frühen Stunde. Die vielen freien Plätze, die es trotzdem noch gibt, müssen eben frei bleiben - um den Bestimmungen der Corona-Verordnung gerecht werden zu können.

Dass man sich in einer Wirtschaft nicht einfach an jeden Tisch setzen kann, ist man als Gast ja gewöhnt. Normalerweise reicht ein „Reserviert“-Schild als Hinweis. Jetzt aber liegt ein laminiertes Blatt auf dem Tisch, das ihn gleich ganz sperrt. Für wie lange? Für die Gültigkeitsdauer der entsprechenden Verordnung. Die wiederum kann jederzeit wieder verschärft werden. Gelockert wird sie erst, wenn die Infektionszahlen stark zurückgehen oder wenn Medikamente zugelassen sind, die wirklich gegen Covid-19 helfen.

Trotzdem ist jetzt erst einmal alles herrlich normal: Im Regal hinter der Theke blitzen alle Arten von Gläsern sorgfältig aufgereiht im Lichter- und Spiegelglanz - ein Anblick, den man schon fast vergessen hat. Dann fällt der Blick auf den Boden und auf die vielen Abstandskleber. Normal wären die nur vor einer Wand mit Dartsscheibe. Noch befremdlicher sind die Abstandskleber am Tresen: Wo sich sonst die Leute dicht an dicht drängen würden, geben nun schwarz-gelbe Warnstreifen den Mindestabstand vor. Nur vier Hocker stehen vor der langen Bar.

Trotz Distanz geht es gesellig zu

Das „Social Distancing“ bekommt da eine ganz andere Bedeutung: Man ist sozial, also gesellig, und hält trotzdem die gebotene Dis­tanz ein. Viele sitzen oder stehen an diesem Morgen gleich an mehreren Tischen. Man unterhält sich mit vielen anderen und denkt trotzdem immer an das kollektive Motto: „Gesund bleiben“.

Das Frühstück im „3K“ morgens um sechs - es wird nicht zur Regel. Aber alle, die dabei sind, behalten es in Erinnerung. Es ist Wellness: für Seele und Sinne. Es ist ein Bad in der wohldistanzierten Menge. Zelebriert wird die Gast-Freundschaft in der Gast-Wirtschaft. Sie hat nicht nur den Gästen gefehlt - auch den Wirten und ihren Teams.

Aktuelle Regeln für den Besuch einer Gastwirtschaft

Zehn Corona-Regeln hat der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga für seine Mitglieder zusammengefasst. Viele davon gelten derzeit überall: der Mindestabstand von 1,50 Metern etwa, das Händewaschen, die Nies- und Hustenetikette, die Kontaktbeschränkungen oder auch die Bitte, nach Möglichkeit mit Karte zu bezahlen.

Für Besucher von Gastwirtschaften dürfte das Einhalten einer anderen Regel - je nach Situation und Tageszeit - deutlich schwieriger werden: „Auf Umarmungen und Händeschütteln verzichten“.

Gänzlich ungewohnt ist es für viele, dass man überall an den Platz geleitet wird - und dass man sich mit Namen und (E-Mail)-Adresse registrieren muss. vol