Junge Zeitung

Don Canallie fliegt zum Sieg

„Don Canallie und seine tollkühnen Schurken“ nennt sich ein Team aus Kirchheimern, das in diesem Jahr den ersten Platz beim „Red Bull Flugtag“ gewonnen hat. Unsere Autorin Vanessa Frenz hat die Vorgeschichte.

Die Entscheidung, den „Red Bull Flugtag“ zu entern, fällt eines schönen Dienstags in einer Studenten-WG in Stuttgart. Dort leben die Kirchheimer Max (22), Holger (23) und Leo (22). Viel Zeit bleibt allerdings nicht: Die Anmeldefrist läuft schon bald ab. Deshalb reißen die Jungs, die von Paul (22) komplettiert werden, ein Motivationsschreiben runter, drehen ein Video, machen Bilder und skizzieren die Idee. Glücklicherweise klappt alles rechtzeitig. „Normalerweise kriegen wir ja so was nicht hin“, sagt Holger.
Doch das ist erst der Anfang. Der „Red Bull Flugtag“ in Mainz wird die Jungs noch ziemlich auf Trab halten. Am Pfingstwochenende werden sich 40 wagemutige Hobbypiloten aus allen Teilen Deutschlands von einer sechs Meter hohen Rampe aus möglichst stilvoll im Rhein versenken. Ob grüner Drache, fliegender Computer, Freiheitsstatue oder rosa Schweinchen - der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Den Kirchheimern geht es von Anfang an um mehr als um die Optik: Sie wollen ein Flugobjekt bauen, das auch wirklich fliegt.

Mitmachen darf allerdings nicht jeder. 1000 Teams bewerben sich, aus denen „Red Bull“ die 80 besten auswählt. Danach geht es ab ins Internetvoting. 40 Teams sollen am Ende übrig bleiben. Die Spannung steigt. Dann Erleichterung: Die Jungs schaffen es auf Platz 32. Ab sofort laufen Planung und Bau auf Hochtouren.

Das Team bekommt Zuwachs: Jan und Jakob haben, wie Holger, schon Flugerfahrung von der Hahnweide und studieren praktischerweise  Luft- und Raumfahrttechnik. Gebaut wird an der Uni Vaihingen. Die weiß zwar vorerst nichts von ihrem Glück. Als dann aber die Presse dazukommt, kommt die Erklärungsnot gleich mit und das Geheimnis wird schnell immer weniger geheim. Gott sei Dank sieht der Professor die Sache gelassen.
Das Flugobjekt, das entsteht, hat 8,8 Meter Spannweite, zwei Meter Flügeltiefe, 5,5 Meter Rumpflänge und wiegt ohne Fahrwerk 50 Kilogramm. 500 Euro Budget haben sich die Jungs gesetzt, und kommen damit auch ziemlich genau hin. Am Tag der Wahrheit werden vier Teammitglieder das Fahrwerk anschieben, und Holger wird fliegen – natürlich gut gepolstert. Zu diesem Zweck nimmt er bereits fleißig ab, immerhin 2,5 Kilo sind es schon.

Doch das Flugzeug ist nur ein Element, das den Kirchheimern am Schluss den Sieg einbringen wird. Beim „Red Bull Flugtag“ spielen nämlich auch Auftritt und Performance eine große Rolle. Deshalb denken sich die Jungs eine Rahmengeschichte aus. Im Mittelpunkt steht das Thema „Luftpiraten“. „Der einzige Luftpirat, den wir kannten, ist der Bösewicht Don Canallie aus der Disney-Serie ‚Captain Balu und seine tollkühne Crew’“, erzählt Holger. Die Kirchheimer küren den Don zu ihrem Helden und nennen sich „Don Canallie und seine tollkühnen Schurken“. Der Flieger ist dem russischen Kampfbomber Polykarpov Rata nach­empfunden. Natürlich sind die Teammitglieder auch entsprechend verkleidet. „Jeder hat sich ein Piratenklischee gesucht. Ich bin ein geschniegelter Kapitän, ein anderer ist im Aladin-Stil verkleidet, zwei als Mechaniker und ein anderer in Uniform“, sagt Holger.

Dann kommt der große Tag. Sowohl Flugweite als auch Show und Originalität werden in die Bewertung der Crew mit einfließen. Kreativ sind sie alle: „Die Rückkehr der Teichfighter", die „Pornocops", „Holzi’s mit Flügeln“ und natürlich auch der Don mit seinen tollkühnen Schurken. Doch die meisten - wenn auch sehr spaßigen - Fluggeräte nehmen schon nach wenigen Metern ein Bad im Rhein.

Als der große Moment kommt, bleibt nur zu hoffen, dass die vielen Gratis-Paletten „Red Bull“ den Luftpiraten Flügel verleihen. Sie starten ihren Flieger vor 150000 Zuschauern von der Rampe aus Richtung Rhein. Die Menge tobt, und die Piraten legen den zweitweitesten Flug des Tages hin: ganze 56,87 Meter. Ihre Performance begeistert die Zuschauer, vor allem aber auch die Jury, in der unter anderem Smudo, Kaya Yanar und der Bürgermeister von Mainz sitzen. Am Ende landen Holger und seine Jungs nicht nur im Rhein, sondern auch auf dem Siegertreppchen. Und feiern, wie es sich für echte Kirchheimer Piraten gehört!