Kirchheim
Druck raus, Struktur rein

Pädagogik Homeschooling in Corona-Zeiten stellt Schüler ebenso wie Eltern vor Herausforderungen. Ein paar einfache Regeln und Tipps können helfen, die Situation möglichst gut zu bewältigen. Von Bianca Lütz-Holoch

Ein Patentrezept, wie Homeschooling gelingt? Schön wär’s. „Aber das gibt es nicht“, sagt Roswitha ­Sylla, Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle der Stiftung Tragwerk in Kirchheim. Der Grund ist einfach: Jede Familie ist anders. Trotzdem können Regeln und Tipps dabei helfen, das Familienleben und Lernen in Zeiten der Schulschließungen zu erleichtern.

Die oberste Prämisse lautet: den Druck rausnehmen - und zwar auf allen Seiten. „Eltern dürfen nicht von sich erwarten, dass sie das Gleiche schaffen wie sonst die Lehrer“, sagt Roswitha Sylla und betont: „Nicht jede Aufgabe muss zu 100 Prozent korrekt gelöst sein.“ Besser sei es, sich kleine Ziele zu stecken und das Pensum einzuteilen. Genauso sieht das Jutta Ziller, Leiterin des Mehrgenerationenhauses Linde in Kirchheim. „Gut wäre es, den Kindern klar machen, dass es nicht schlimm ist, wenn in diesen besonderen Zeiten die Noten schlechter werden oder sogar das Schuljahr wiederholt werden muss“, sagt sie. „Viel schlimmer wäre es, wenn vor lauter Konflikten und Druck die Beziehung zum Kind zerbricht.“ Rieke Müller, Schulsozialarbeiterin am Kirchheimer Schlossgymnasium, empfiehlt: „Man sollte zunächst schauen, dass man die Familie als System stabilisiert.“ Dazu gehöre auch, dass die Bedürfnisse aller Familienmitglieder Beachtung finden.

Einig sind sich die Expertinnen: Ganz wichtig für erfolgreiches Lernen daheim ist Struktur. ­Sophia Hartlieb, Schulsozialarbeiterin an der Wernauer Grundschule, präzi­siert das: „Kinder sollten jeden Tag um die gleiche Uhrzeit aufstehen und das Gleiche tun wie in Schulzeiten.“ Das heißt: früh­stücken, sich waschen, anziehen und an den Schreibtisch oder einen anderen geeigneten Arbeitsplatz setzen. Perfekt wäre es, den Schulweg durch einen kleinen Spaziergang zu ersetzen, damit das Hirn in Schwung kommt. Auf keinen Fall ist es dagegen ratsam, Videokonferenzen aus dem Bett zu verfolgen.

„Eltern sollten unbedingt dafür sorgen, dass die Kinder während des Homeschoolings nicht durch Handy- oder PC-Spiele abgelenkt werden“, betont Rieke Müller. Gut lernen können Schüler nur, wenn sie ungestört sind. Das weiß Linus Lutz, FSJler im Mehrgenerationenhaus Linde, aus eigener Erfahrung: „Wenn dauernd jemand während des Unterrichts ins Zimmer läuft, lenkt das ab“, sagt er.

Genauso wichtig wie gute Arbeitsbedingungen sind Pausen. „Am besten entspannen können Kinder, wenn man kleine Spiele oder Bewegungseinheiten einfügt“, weiß Jutta Ziller. Ideal im Winter: Eine Schneeballschlacht. Das geht dank Abstand sogar zusammen mit den Nachbarskindern.

Einen Mittelweg müssen Eltern zwischen Kümmern und Abgrenzen finden. „Da helfen klare Regeln“, sagt Roswitha Sylla. Zum Beispiel können bestimmte Zeitspannen festgelegt werden, in denen Kinder ihre Eltern auch beim Arbeiten unterbrechen dürfen. Eine andere Möglichkeit: „Die Kinder bekommen drei Fragekarten. Jedes Mal, wenn sie sich an ihre Eltern wenden, geben sie eine ab“, schlägt Sophia Hartlieb vor.

Und noch etwas hilft, die ganze Situation zu erleichtern: „Eine positive Grundhaltung“, weiß die Schulsozialarbeiterin. Wichtig sei es, dass Eltern sich negative Kommentare zum Thema Schule verkneifen: „Kinder können beim Homeschooling nicht motiviert bleiben, wenn die Eltern die ­ganze Zeit darüber schimpfen.“