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Ein Abenteuer mit teuren Folgen

Freizeit Wer durch fahrlässiges Verhalten einen Rettungseinsatz auslöst, zahlt. Jüngstes Beispiel ist die Schlauchboot-Fahrt eines Mannes mit zwei Kindern auf dem Neckar bei Wendlingen. Von Antje Dörr

Wer sich beispielsweise beim Wandern überschätzt, kann von der Bergwacht gerettet werden - doch den Einsatz zahlt man selbst. Ar
Wer sich beispielsweise beim Wandern überschätzt, kann von der Bergwacht gerettet werden - doch den Einsatz zahlt man selbst. Archivfoto: 7aktuell/Moritz Basserman

Es sollte ein Abenteuer werden: Die Schlauchboot-Fahrt eines Mannes mit zwei Kindern vor wenigen Wochen auf dem Neckar. Doch die Bootsfahrt kostet die drei beinahe ihr Leben. Bei einem Wehr in Wendlingen hängt das Boot in der Kehrwalze fest, droht zu kentern. Keiner der Insassen trägt eine Rettungsweste. Nach Stunden gelingt es einem Großaufgebot an Rettungskräften, die Insassen aus der Gefahrenzone zu bringen. Auf den Schock folgt Tage später die Rechnung für den Großeinsatz, gestellt von Feuerwehr und Deutscher Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG). Der Verursacher muss die Kosten im niedrigen fünfstelligen Bereich aus eigener Tasche bezahlen.

„Man kann sich nicht einfach ins Schlauchboot setzen und losfahren“, sagt Bastian Sturm von der DLRG, Bezirk Esslingen, der den Einsatz geleitet hat. Offenbar hatte der Mann sich vorher nicht über die Route informiert und keine Rettungswesten besorgt. Zudem dürfen Boote im Bereich des Wehrs nicht fahren, Verbotsschilder weisen darauf hin. „Wenn jemand alle Vorsichtsmaßnahmen beachtet, muss er den Einsatz auch nicht bezahlen“, sagt Bastian Sturm und nennt ein Beispiel für ein solches Unglück: Kurze Zeit darauf musste die DLRG neun Menschen auf Höhe des Esslinger Landratsamts aus dem Ne­ckar retten, deren Kanu beim Aussteigen vor dem Wehr aufgrund schnell wechselnder Wasserverhältnisse gekentert war. Alle trugen Rettungswesten. Es blieb bei einer Belehrung durch DLRG und Polizei. „Unfälle passieren. Dafür sind wir da“, sagt Bastian Sturm.

Dass wegen Corona mehr Ungeübte auf dem Neckar unterwegs sind, kann Sturm nicht bestätigen. Immer wenn es heiß sei, gebe es mehr Einsätze, sagt er. Unfälle auf dem Neckar gibt es immer wieder. 2015 geht ein Mensch zwischen Neckarhausen und Neckar­tailfin­gen in einem Wehr unter und ertrinkt. Er trägt keine Rettungsweste. „Ohne Weste kommt man da nicht mehr raus“, sagt Bas­tian Sturm. Auch das Baden am Neckarufer kann gefährlich sein, weil Schwimmer die Tiefe unter­schätzen.

Unfälle, in denen so fahrlässig gehandelt wird wie bei dem Schlauchboot-Unglück auf dem Neckar, kennt man bei der Bergwacht Lenninger Tal nicht. „Das wäre ja vergleichbar mit einem Kletterer, der ohne Seil einen 30 Meter hohen Berg hochgeht“, sagt Pressesprecher Maximilian Groh. Die Bergwacht ist für die Rettung von Wanderern, Kletterern oder anderen Freizeitsportlern zuständig - überall dort, wo das Gelände so unwegsam ist, dass der Rettungswagen nicht zum Unfallort gelangen kann. „Es kann immer mal passieren, dass beim Klettern ein Griff rausgeht. Das ist aber noch keine Fahrlässigkeit“, sagt Groh. Häufiger muss die Bergwacht Menschen retten, die mit schlechtem Schuhwerk oder mangelnder Ausrüstung unterwegs sind. „Es gibt auch immer wieder Menschen, die sich in Gelände begeben, dem sie nicht gewachsen sind“, sagt Maximilian Groh. Klassisches Beispiel: Man geht einen alten Fußpfad, gerät in steilstes Gelände und kann plötzlich nicht mehr vor oder zurück. „In der Regel ist es dann auch besser, einfach stehen zu bleiben und einen Notruf abzusetzen“, sagt Groh. Solche Einsätze müssen von den Verursachern selbst bezahlt werden - außer, sie sind über den Deutschen Alpenverein oder einen anderen Verein abgesichert.

So teuer wie der Schlauchboot-Einsatz sei noch nie ein Bergwacht-Einsatz gewesen, sagt Maximilian Groh. Es könne aber schon mal „ins Vierstellige reingehen“. Dass durch Corona mehr Menschen als sonst in der Natur unterwegs sind, spürt auch die Bergwacht. „Die Fallzahlen sind deutlich gestiegen“, sagt Maximilian Groh. Allerdings sei der Trend schon seit zehn Jahren erkennbar. Dass es mehr Menschen gibt, die sich in der Natur fahrlässig verhalten, findet Groh nicht. „Das Freizeitverhalten hat sich eben deutlich ins Mittelgebirge verlagert.“