Kirchheim

Ein Hotel der Artenvielfalt geschaffen

Umweltschutz An der Grundschule Bissingen hat Martin Wetzel mit seinen Klassen über zwei Jahre ein natürliches Refugium für Insekten und Kleinlebewesen geschaffen. Der ganze Ort hilft dabei. Von Thomas Zapp

Begeisterung für die Natur schaffen und Verantwortung übertragen: Das hat bei den Schülerinnen und Schülern der Grundschule Biss
Begeisterung für die Natur schaffen und Verantwortung übertragen: Das hat bei den Schülerinnen und Schülern der Grundschule Bissingen geklappt. Foto: pr

Insekten können gerade im Sommer zu einer Plage für den Menschen werden. Auf die Idee, ihnen sogar ein Hotel zu bauen, muss man erst einmal kommen. Der Bissinger Grundschullehrer Martin Wetzel wusste vor zwei Jahren aber ganz genau, warum er mit seiner damaligen vierten Klasse das Projekt eines „Insektenhotels“ in Angriff nahm. „Es ging uns darum, Artenvielfalt zu erhalten, und dabei spielen Insekten eine ganz wichtige Rolle“, sagt er.

Ganz nebenbei wurde auch noch Altes „upgecycelt“: Zwei alte Schubladen vom Sperrmüll schraubten die Kinder unter Anleitung ihres Lehrers zusammen, füllten sie mit Blumentöpfen und Stroh, Tannenzapfen und Hohlziegeln, um Schutz- und Nisträume für Insekten zu schaffen, zum Beispiel Ohrenzwicker. Auch die Mütter zweier Schüler halfen fleißig mit und brachten ihre Ideen mit ein. „Das war ein toller Nachmittag“, erinnert sich Wetzel.

Doch dabei blieb es nicht. Der ehemalige Schulgarten, der mit dem Umbau des Schulgeländes mehr oder weniger verschwunden war, erhielt ein neues, natürliches Gesicht. Drei Nistkästen und einen Bereich für die Naturwiese steckte Martin Wetzel mit seinen Schülern mit dicken Haselnussstecken ab. Dort blieben die Pflanzen sich selbst überlassen und wurden vom regelmäßigen Mähen verschont. Trotz des sehr kargen Bodens entwickelte sich hier in der Folge eine erstaunliche Vielfalt an Blühpflanzen und Gräsern. Auch ein Apfelbaum wurde gepflanzt. Dabei hat der Obst- und Gartenbauverein mit seinem Vorsitzenden Rudolf Thaler geholfen. „Das ist ein tolles Gefühl, wenn man sich im Ort unterstützt“, schwärmt der Lehrer, der seit 25 Jahren an der Bissinger Grundschule unterrichtet.

„In Bissingen sind die Wege erfreulich kurz, wenn man Hilfe braucht“, sagt er. So hat ihn der notwendige Zementfuß für die Kleintier-Herberge lediglich einen Anruf beim Bauhof gekostet. Der Förderverein der Grundschule beteiligte sich mit einer finanziellen Hilfe und auch Bürgermeis­ter Marcel Musolf kommt regelmäßig vorbei.

Zum neuen Schulgarten gehört auch ein Blühstreifen als Heimat für Wildbienen und Schmetterlinge. Der hatte besonders viel Arbeit gemacht, weil er anfangs regelmäßig gegossen werden musste. Wenn einige der Bambus-Röhrchen verschlossen sind, heißt das: Hier ist jetzt jemand eingezogen, zum Beispiel eine der immer noch zahlreichen Wildbienen-Arten. Selbst ein Totholzstapel erfüllt auf dem etwa 150 Quadratmeter großen Gelände seine Funktion: Hier können sich zahlreiche Kleinlebewesen einnisten oder wenigstens Unterschlupf finden. „Wichtig ist, dass es pflegeleicht ist. Wenn man den Garten jeden Tag beackern müsste, wäre das dauerhaft zu viel Aufwand für ein Schulprojekt“, weiß der erfahrene Lehrer. Das hat sich besonders in diesem Jahr gezeigt, als wegen der Corona-Pandemie die Schule am 13. März schließen musste. Aber bei den Dingen, die zu tun waren, stand der Lehrer nicht alleine da. „Ich weiß, dass einige Kinder mittlerweile von alleine kommen, um nach dem Rechten zu schauen“, sagt er. Damit ist ein erstes Lernziel schon einmal erreicht: Verantwortung zu übernehmen. Ein Zweites und Drittes lernen die Schüler ebenfalls: die Vielfalt heimischer Blühpflanzen und die Fähigkeit der Natur, zu wachsen, ohne dass man weiter eingreifen muss. Der Garten ist ein Langzeitprojekt mit wechselnden Teilnehmern, und es gibt noch Ziele: Eine Wasserstelle soll angelegt werden und Sitzgelegenheiten für Kinder, möglichst aus recycelten Materialien. Denn auch Nachhaltigkeit soll hier gelehrt werden. Die Begegnung mit der Natur und das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln zu fördern liegen Martin Wetzel am Herzen: „Dafür muss man Kinder begeistern.“ Und diese Begeisterung hat sich mittlerweile auch auf Bissingen übertragen.