Kirchheim

Ein „Nein“ heißt auch „Nein“

In Kirchheim gibt es Kursangebote für Flüchtlinge zum Verhalten in Deutschland

Die Themenkreise „Flüchtlinge“ und „Sexualität“ sind vielfach geprägt von Tabus und Missverständnissen. In Kirchheim gibt es deshalb „Aufklärungskurse“.

Ein „Nein“ heißt auch „Nein“
Ein „Nein“ heißt auch „Nein“

Kirchheim. Marianne Gmelin, langjähriges Mitglied im Arbeitskreis Asyl sowie Kirchenbezirksbeauftragte für Asyl und Migration, bedauert, dass das Thema „Flüchtlinge“ seit Ende Juli in Kirchheim nur noch auf die sexuellen Übergriffe im Freibad fokussiert werde: „Rund tausend Flüchtlinge leben in Kirchheim, und diese Vorfälle beziehen sich auf zwei oder drei von ihnen.“ Umso bedauerlicher sei das, weil es in Kirchheim ein Angebot gibt, um Flüchtlinge außer über ihre Rechte auch über ihre Pflichten aufzuklären. Nicht zuletzt geht es dabei um den Umgang zwischen den Geschlechtern: „Das ist ein kleiner Baustein, zwei Stunden am Ende eines 40-stündigen Grundsprachkurses.“

Jutta Woditsch, Bereichsleiterin vom Sozialdienst für Flüchtlinge der Arbeiterwohlfahrt (AWO), ergänzt: „Das Projekt in Zusammenarbeit mit pro familia läuft schon seit Monaten und hat mit diesen Vorfällen überhaupt nichts zu tun.“ Auch die mehrsprachigen Baderegeln für das Kirchheimer Freibad mit erklärenden Bildern seien schon vor Beginn der Badesaison im Mai ausgelegt und ausgehängt worden.

„Die Flüchtlinge, mit denen ich spreche, distanzieren sich von den Vorfällen im Freibad, sie finden solche Taten unverschämt“, berichtet Jutta Woditschs Stellvertreterin Nora Martetschläger. Sie selbst werde immer wieder von ihren Bekannten gefragt, ob sie denn keine Angst habe, wenn sie hauptamtlich mit Flüchtlingen zusammenarbeite. Sie verneint das vehement und erklärt: „Seit einem Jahr bin ich jetzt bei der AWO und hatte nie Probleme.“

Mitunter sei es wichtig, klare Hinweise zu geben, meint Renate Hirsch von der Beratungsstelle Chai: „Eine junge Kollegin von mir sagt, sie muss eben klar machen, dass sie verheiratet ist, und dann hat sie ihre Ruhe.“ Natürlich können junge Mädchen im Freibad eher nicht klar machen, dass sie verheiratet sind. Deshalb bedauert es Renate Hirsch – gemeinsam mit so manchem Flüchtling in ihren Beratungen –, dass die Vorfälle im Freibad so großen Schaden angerichtet haben, und zwar „für die Stadt, für die Flüchtlinge und vor allem für die Mädchen“.

So gesehen sind die zwei Kursstunden – streng getrennt nach Männern und Frauen – umso wichtiger. Ute Knoll, die seit vielen Jahren im Auftrag der AWO Sprachkurse gibt, berichtet von ihren Erfahrungen mit dem Zusatzangebot, also mit dem Sprechen über das große Tabuthema „Sexualität“: „Für die Frauen ist das ein großer Aha-Effekt, wenn sie feststellen, was da in unserem Kurs alles ausgesprochen wird.“ Ähnliches erfährt Joachim Elger, Diplom-Psychologe bei pro familia, in den Männerkursen: „Das ist für die Teilnehmer völlig neu, dass man bestimmte Dinge überhaupt thematisiert.“

Einer, der sich am besten auskennt in den unterschiedlichen Welten, die da aufeinandertreffen, ist Said Amiri. Er ist seit vielen Jahren Multiplikator und Ansprechpartner für alle Seiten. Behörden und Polizei nehmen oft seine Dienste als Dolmetscher in Anspruch. Zunächst erklärt er, dass viele Flüchtlinge nur Burkas und lange Gewänder kennen. Über Afghanistan berichtet er: „Da ging es einmal freizügig zu. Aber 40 Jahre Krieg, Al Kaida und Taliban haben dafür gesorgt, dass die Frauen dort wie in Gefangenschaft leben. Sie haben keine Möglichkeit, aus dem Haus zu gehen.“ Unter anderem deswegen spricht Said Amiri im „Aufklärungskurs“ nicht nur über Sexualität, sondern auch über die Rechte der Frauen in Deutschland: „Da machen alle große Augen.“ Dass man Frauen nicht einfach anfassen darf, wissen die Flüchtlinge nur zu gut aus ihren Heimatländern. Dort kann eine einzige Berührung mitunter tödliche Folgen haben.

In Deutschland sieht manches anders aus. Männer können leichter Kontakt zu Frauen aufnehmen. Aber Said Amiri betont im Kurs: „Ihr müsst den Frauen immer höflich begegnen. Und wenn eine Frau einmal mit euch einen Kaffee trinkt, geht sie deswegen noch lange nicht mit euch ins Bett.“ Er will seinen Kursteilnehmern nicht nur sagen, was sie tun dürfen, sondern auch vermitteln, was sie nicht tun dürfen. Vor allem sagt er: „Wenn eine Frau ,Nein‘ sagt, dann heißt das auch ,Nein‘!“ Und noch etwas sagt er ihnen klar und deutlich: „Die Frauen in Deutschland warten nicht auf euch. In Deutschland gibt es genügend deutsche Männer.“

Charlottenstr. AK Asyl Gmelin
Charlottenstr. AK Asyl Gmelin