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Ein Selbstversuch: Falsche Schublade

Yoga. Die vier magischen Buchstaben, die in hiesigen Breitengraden mittlerweile schon fast zu einer Art Religion geworden sind. Das Allheilmittel für Körper und Geist - und sowieso für alles Schlechte dieser Welt. Als würde man weltweit keine Ärzte mehr brauchen, sondern nur noch emsige Yogis. Zugegeben, für mich ist das alles spiritueller Quatsch. Denn wieso sollte ich plötzlich ein glücklicherer Mensch werden, nur weil ich in einer komischen Körperhaltung verharrend ruhig ein- und ausatme? Doch da ich ja von Grund auf der eher aufgeschlossene Typ bin, habe ich‘s einfach mal ausprobiert - auch wenn ich den vermeintlichen „Sport“ ganz klischeehaft und überheblich längst per Schubladendenken kategorisiert habe. Und zwar in der ganz untersten Schublade.

Glücklicherweise habe ich bei meinem Selbstversuch eine gute Lehrerin: Meine Schwägerin in spe, für die - zumindest erscheint es mir so - Yoga inzwischen den gleichen Stellenwert eingenommen hat wie Sauerstoff. Ich nehme die Sache ernst. Und das sollte ich auch, denn bereits der Einstieg hat es ordentlich in sich. Der „Sonnengruß“ und vor allem der „herabschauende Hund“ führen unmittelbar dazu, dass mir das Blut in den Kopf schießt und mir schon nach wenigen Minuten die Handgelenke schmerzen und die Beine zittern. Auch die folgenden Übungen „Schwan“, „Krieger“ und „Dreieck“ lassen mich nicht gerade gedanklich auf einer Wolke schweben. Im Gegenteil: Die zuvor nicht wirklich ernst genommene Sportart ist auf einmal hoch anspruchsvoll und kräftezehrend. Wer die Konzentration auch nur eine Sekunde lang verliert, verliert die Balance gleich mit.

Mir fehlt die Bewegung

Meine Schwägerin grinst, offensichtlich ist meine verkrampfte Körperhaltung und mein leidiger Blick für sie eine große Genugtuung. „Wenn es zu anstrengend wird, darfst du dich zwischendurch ruhig in die Stellung des ‚Schlafenden Kindes’ begeben“, instruiert sie nachsichtig mit dennoch leicht frotzelndem Unterton. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Dabei hätte ich bis dato felsenfest behauptet, dass mich sicherlich nichts so schnell aus der Puste bringt, schließlich treibe ich seit Jahren täglich zwei bis drei Stunden Sport. Aber gut, Yoga ist dann eben doch keine „ganz normale“ Sportart. Da werden plötzlich Muskeln beansprucht, von denen ich bislang noch gar nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt.

Selbst wenn ich noch weit davon entfernt bin, meine laienhaften Pillepalle-Übungen als „richtiges“ Yoga zu bezeichnen, weiß ich jetzt, dass deutlich mehr dahinter steckt, als nur ein bisschen Dehnen hier und Strecken da. Und auch wenn ich wohl nie der große Yoga-Fan sein werde, weil mir dabei schlichtweg die aktive Bewegung meines Körpers fehlt, kann ich nun zumindest ein wenig nachvollziehen, wie die Yogis dabei ihr inneres Ying und Yang ins Gleichgewicht bringen.