Kirchheim

Ein türkischer Ostfriese in Schwaben

Kabarett Kerim Pamuk weiß, dass Deutsche sehr anders sind als Türken. Mit seiner „Leidkultur“ zeigt er, dass es beide Seiten nicht leicht haben. Von Sabrina Kreuzer

Er sitzt eigentlich zwischen den Stühlen: Seit 30 Jahren lebt der türkischstämmige Kerim Pamuk in Hamburg und weiß: Deutsche sin
Er sitzt eigentlich zwischen den Stühlen: Seit 30 Jahren lebt der türkischstämmige Kerim Pamuk in Hamburg und weiß: Deutsche sind seltsam - und Türken auch. Foto: Sabrina Kreuzer

Kemir Panik? Kefir was?“ Häufig wird Kabarettist Kerim Pamuk gegoogelt, dabei werden jedoch die merkwürdigsten Suchanfragen eingetippt. „Man muss ja erst mal klären, was der denn macht“, kennt der türkischstämmige Künstler, der vor allem durch den Quatsch Comedy Club Bekanntheit erlangt hat, die Deutschen: „Macht der Comedy? Oder Travestie? Oder Bauchtanz? Wann darf ich lachen und wann nicht? Und muss ich lachen, weil er Türke ist?“

Die Deutschen sind ganz schön kompliziert. Sie wollen immer gut vorbereitet sein und kaufen nicht einfach die Katze im Sack. Das Internet kommt da sehr gelegen. Dass aber auch Türken so ihre Macken haben, weiß Kerim Pamuk. Er trat am Sonntagabend mit seinem Programm „Leidkultur“ als Teil der Interkulturellen Wochen in der Kirchheimer Alleenschule auf. Sein Publikum war dabei so bunt gemischt, wie er es selbst ist.

Kerim Pamuk lebt seit 30 Jahren in Hamburg, ursprünglich kommt seine Familie aus Trabzon an der türkischen Schwarzmeerküste. Die Menschen dort sind auch als „türkische Ostfriesen“ bekannt, was nicht nur an ihrem Aussehen - viele von ihnen haben blonde Haare und blaue Augen - sondern vor allem an ihrem Humor liegt. Bei Kerim Pamuk muss sich allerdings niemand sorgen, die Witze und Anspielungen nicht zu verstehen. Sein Programm treibt sogar den grimmigsten Schwaben Tränen in die Augen, weil er ihnen den Spiegel vorhält und somit die schrägsten Eigenheiten der Deutschen und Türken entblößt.

Deutsch sein ist schwer

Das fällt Kerim Pamuk so leicht, weil er mittlerweile selbst deutsch geworden ist. „Nach 30 Jahren in Hamburg merke ich, dass ich es nicht leicht habe“, erklärt er. Wenn er früher um 17 Uhr in ein Café gegangen ist, war das Bestellen ganz einfach. „Ich bin einfach direkt an die Theke hin und habe gesagt: ‚Hey, Arschloch, mach mal Milchkaffee. Sofort.‘“ Heute müsse er sich erst überlegen, ob er sich um diese Uhrzeit noch Kaffee bestellen könne, ohne abends Probleme beim Einschlafen zu haben.

Ihm sind allerdings noch mehr Veränderungen aufgefallen. Als Türke war er immer aggressiv, als Deutscher ist er empört. „Wenn einer auf dem Radweg parkt, stelle ich mich ganz nah vor die Stoßstange und schaue den Fahrer an“, sagt er: „Dann gehe ich empört weg, sage keinen Ton, rege mich aber zwei Tage darüber auf.“

Dass er ein wenig „sanfter“ geworden ist, merkt er auch im Fußballstadion mit seinem besten Freund Cengiz. „Ich bin HSV-Fan. Ja, ich bin Masochist. Immerhin wähle ich auch die SPD. Und bei beidem sage ich mir, dass es irgendwann besser wird.“ Während Kumpel Cengiz und 30 000 weitere Fußballfans ausrasten, wenn beim HSV mal wieder etwas schief läuft, bleibt er ganz cool und sagt: „Cengiz, das fand ich jetzt ein bisschen schwierig. Wollen wir reden?“

Reden funktioniert immer. Eigentlich. So erzählt Kerim Pamuk von seinen Erlebnissen als frischgebackener Zwillingsvater: „Gassi gehen mit den Kindern ist ja auch sehr deutsch. Und in Hamburg ist das eine ganz schöne Herausforderung.“ Das liegt nicht nur am Wetter, sondern vor allem an der Mentalität der Hanseaten: „Keine unnötige Freundlichkeit, kein überflüssiges Lächeln.“ Trotzdem würden viele Fragen zum Nachwuchs fallen, wenn sich Omas mit ihren Spazierstöcken oder Rollatoren in den Weg stellen. Die meistgestellte Frage: „Sind das Zwillinge?“ Dafür hat Kerim Pamuk mittlerweile einen ganzen Antwortkatalog bereitgestellt: „Der rechte war im Angebot, den linken gab’s gratis dazu.“ Oder: „Nein, das sind Hamster.“

Baby-Vollverschleierung

Wenn dann doch einmal die Sonne im hohen Norden scheint, macht Pamuk das, was ein guter Vater eben macht: „Ich befestige ein Windeltuch mit Wäscheklammern vor dem Wagen, damit die Kinder nicht von der Sonne geblendet werden.“ Wenn er dann gefragt wird, warum da ein Tuch gespannt ist, antwortet er einfach: „Das ist ein Babyschleier, ich bin Moslem.“

Das Leben als Vater ist eben nicht so einfach und kostet so manche Nerven. Nicht nur bei der „infektiösen Einbahnstraße Kita, Kind, Eltern“ sondern auch bei der Freizeitbeschäftigung. „Ich gehe dreimal die Woche ins Kinderturnen“, ruft Kerim Pamuk verzweifelt aus: „Das besteht aus einer halben Stunde umziehen, einer halben Stunde Geräte auf- und abbauen und zwanzig Minuten turnen.“

Dabei möchte Kerim Pamuk für seine Kinder doch nur eins: Dass sie das „deutsch-türkische Best of“ erben. „Die lockere deutsche Ader, wenn ein Deutscher entspannt sagt: ‚Das gibt eine Anzeige.‘ Oder die Selbstkritik der Türken, wenn sie in der Schule sagen: ‚Ich habe doch nur eine fünf in Deutsch, weil ich Türke bin.‘“ Wobei er findet, dass Schriftsteller Wolfgang Borchert das auch ganz schön gesagt hat: „Stell dich mitten in den Regen, glaub an seinen Tropfensegen, spinn dich in das Rauschen ein und versuche, gut zu sein!“