Kirchheim

Ein ziemlich bester Schurke

Vortrag Josef Müllers Leben war glamourös, gierig und unglücklich. Wie er zu Gott gefunden hat, erzählte er auf Einladung des Christusbunds. Von Sabine Ackermann

Josef Müller erzählt beim Christusbund über sein abenteuerliches Leben.Foto: Sabine Ackermann
Josef Müller erzählt beim Christusbund über sein abenteuerliches Leben.Foto: Sabine Ackermann

Zuerst spürte ich einen kalten Hauch, dann hörte ich plötzlich diese deutlich hörbare Stimme aus dem Nichts“, sagt Josef Müller und wundert sich nicht wirklich, dass die meisten der Zuschauer dazu verstehend nicken. Fast voll war es im Domizil des Württembergischen Christusbunds, der den „ziemlich besten Schurken“ eingeladen hatte. Noch vor zwei, drei Jahrzehnten hätte dieser seine Zeit lieber bei den Schönen und Reichen verbracht, einen Hartschalenkoffer mit einer Million über die Grenze geschmuggelt, sein Honorar in trockene Tücher gebracht und vielleicht mit La Toya Jackson ein Kristallgläschen Champagner geschlürft.

Leben wie im James-Bond-Film

Die Stimme - und damit meint er Gott - hat er im 20. Stock eines Penthouses in Miami in sein Leben gelassen. Indem, dass er die Räder seines Rollstuhls nicht nach vorne in den todbringenden Abgrund, sondern zurück ins Zimmer lenkte, habe er etwas „krasses“ getan, wie er selber sagt. „Mein Leben war wie in einem James-Bond-Film“, legt er gleich los. Auf einer erhöhten Bühne, die er über eine Rampe erreichte, sitzt er im Rollstuhl. Sein gelbes Hemd, die rote Hose und der cremefarbene Sonnenhut unterstreichen seine fröhliche Art. Stellt man sich so einen Gauner vor? Einen Betrüger, der brave Anleger um ihr schwer verdientes Geld geprellt hatte? Eher nicht. Der 61-Jährige versteht es insbesondere im ersten Teil hervorragend, das Publikum in seine damalige Welt zu entführen. Auch in jene, auf der er noch mit zwei Beinen durch das Leben ging. Er erzählt von seinem selbst verschuldeten Autounfall, als ihm der Arzt schonungslos in sein 17-jähriges Gesicht sagte: „Herr Müller, Sie sind querschnittsgelähmt und sitzen für den Rest ihres Lebens im Rollstuhl. Es gibt keine Heilungschancen.“ Er erinnert sich, wie damals alles in ihm rebellierte: „Ich fühlte mich nicht gelähmt, deshalb beschloss ich eines Tages, auch nicht behindert zu sein.“ Er wurde Steuerberater, beherrschte in diesem Metier wie kein zweiter die Geldvermehrung, besonders im Münchner Jetset.

Später geriet Josef Müller immer mehr mit dem Gesetz in Konflikt, handelte nach dem Motto: „Solange keiner von meinem Schweizer Konto weiß, bin ich Moralist.“ Ohne Manuskript redet er frei von der Seele weg. Spannung und Unfassbares kompensiert er durch Lautstärke, weiß nach 453 Vorträgen in dreieinhalb Jahren sowie Talk-Runden bei Lanz, Maischberger und Co., wie man die Zuschauer fesselt. Verheimlicht keine Fehler und vergisst auch nicht die schönen Momente zu erwähnen: „Gier frisst Hirn, es gab keine Grenzen für mich - trotz Rollstuhls“, so Josef Müller, der es als Fürchtenichts und Kraftprotz auf Rädern allen gezeigt hatte. Vierzig Millionen Schwarzgeld und zahlreiche Kokslinien später, wurde er von seinem einzigen und langjährigen Freund massiv betrogen und setzte sich deshalb ins Ausland ab. Sechs Monate lang führte er das Landeskriminalamt und das FBI an der Nase herum.

„Während meiner Flucht befielen mich immer mehr depressive Gedanken und Todessehnsüchte“, erzählt Müller und verrät, dass sich diese nur durch exzessiven Kokain- und Alkoholkonsum dämpfen ließen. „Und dann war da plötzlich diese Stimme, die mir sagte: ‚Du warst in deinem ganzen Leben noch nie ein Feigling. Stell dich deiner Verantwortung‘.“ Und das tat er, wanderte für seine Betrügereien fünf Jahre ins Gefängnis. Dort ging es ihm so lange schlecht, bis er aus Neugierde im Neuen Testament las. „Die Lösung all meiner Probleme war tatsächlich Jesus Christus“, betont Josef Müller, der im Knast per Fernstudium Theologie studierte. Wieder in Freiheit, schrieb er nicht nur sein Buch „Ziemlich bester Schurke, wie ich immer reicher wurde“, sondern motiviert die Menschen, sich Gott zuzuwenden. Und das macht er laut, mit Energie und in einer fast beängstigten Art der Leidenschaft, dass er sogar selber sagt: „Sie glauben bestimmt, ich springe gleich aus dem Rollstuhl. Doch das wäre wirklich ein Wunder.“

Das Leben von Josef Müller

Geboren ist Müller 1955 in Fürstenfeldbruck. Als 17-Jähriger verschuldet er einen Autounfall und ist seitdem querschnittgelähmt. 1980 macht er die Prüfung zum Steuerberater, besitzt später vier Kanzleien und ist geschätzt im Münchner Jetset.

Er wird Honorarkonsul der Republik Panama und Botschafter der Republik Zentralafrika in Monte Carlo. Ministerpräsident Stoiber ehrt ihn. Müller umgibt sich mit Prominenten wie Prinz Charles, der al-Gaddafi-Familie und den Wepper-Brüdern.

Als Kurier von Schwarzgeld verschiebt er Abermillionen. Er prellte 383 Anleger um insgesamt 7,3 Millionen Euro. Nachdem ihn LKA und FBI rund um den Erdball gejagt hatten, wird er 2005 vom Landgericht München zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Während der Haft findet Josef Müller zu Gott. Er studierte Theologie im Fernstudium. Seit seiner Entlassung aus der Haft 2010 verkündet er Gottes Wort in Vorträgen und wurde nach dem Haftantritt von Uli Hoeneß in viele Talkshows eingeladen. ack