Kirchheim

Eine Kultband sagt beim Abschied laut „Servus“

Musik Die „Sonne-Abriss-Band“ ist seit ihrem letzten Weihnachtsauftritt in der Bastion Geschichte.

Für manch einen unglaublich, aber wahr: Die „Abriss-Band“ bei ihrem letzten Auftritt in der Bastion.Foto: pr
Für manch einen unglaublich, aber wahr: Die „Abriss-Band“ bei ihrem letzten Auftritt in der Bastion. Foto: pr

Kirchheim. Am zweiten Weihnachtsfeiertag ging das vorerst letzte Konzert der Kirchheimer „Sonne-Abriss-Band“ im Club Bastion über die Bühne.

Ins Leben gerufen wurde die Band von Andreas Kenner für ein Konzert am 3. Juli 1992 im legendären Kirchheimer Wirtshaus Sonne, das kurz darauf abgerissen wurde. Das war die Geburtsstunde einer Kirchheimer Legende - Nomen est Omen -, der „Sonne-Abriss-Band“.

Beim allerersten Konzert dabei, genauso wie jetzt beim Abschiedskonzert: Gottlob Schmid am Schlagzeug, Markus Heilmann, Bass und Gesang, und Fred Osen an der Gitarre. Weiterhin spielten damals in der Sonne Hans-Peter Futschek, Gitarre und Gesang, und Andreas Kenner mit seiner Bluesharp.

Nach diesem initialen AbrissKonzert trat die Truppe immer wieder mal im Club Bastion auf, spielte in der „Villa“ oder im „Krokodil“ - typisch „local heroes“. Ausflüge nach Nürtingen oder Geislingen blieben dagegen eher die Ausnahme.

Ein Meilenstein in der Geschichte der Band war sicher die Eröffnung des Rollschuhplatz-Festivals im Jahr 1999. Vor 800 begeisterten Zuschauern zelebrierten die Musiker eine 60-minütige Hommage an die Rolling Stones. Nach diesem fulminanten Auftritt stand spontan ein Entschluss fest: Die „Sonne-Abriss-Band“ wird am 26. Dezember um 21 Uhr ein „Weihnachtskonzert“ im Club Bastion geben.

Dieses Konzert wird aus zweierlei Gründen unvergessen bleiben. Zum einen, weil damit für Kirchheimer Musik-Enthusiasten ein weihnachtliches Ritual seinen Anfang nahm, zum anderen, weil gleichzeitig der Orkan „Lothar“ durch das Land fegte. Allerdings hielten die 500 Jahre alten Bastionsmauern sowohl dem von der Band entfachten Sturm auf der Bühne als auch dem Orkan „Lothar“ locker Stand.

Seitdem also trat die Sonne-Abriss-Band jedes Jahr am 26. Dezember im Club Bastion auf und Andreas Kenner hatte, quasi als Bandgründer, immer das Vergnügen, einen Blues auf seiner Harp mitspielen zu können. Auch das gehörte zur 26-jährigen Tradition.

2007 nannte sich die Gruppe um, verkürzte ihren Namen auf „Abriss-Band“, also ohne „Sonne“, dafür aber mit weiterhin derselben Stammbesetzung, Gottlob Schmid am Schlagzeug, Markus Heilmann an Bass und Gesang und Fred Osen an der Gitarre. Dies änderte sich erst im Jahre 2010, als Fred Osen über Weihnachten seinen Sohn in Madagaskar besuchte. Das Lieblingsweihnachtsrockkonzert der Kirchheimer war ernsthaft in Gefahr. Ganz nach dem Motto „Not macht erfinderisch“ sprang damals der sehr talentierte Gitarrist Claudio Pocaro ein. Der legte in der Bastion einen derart überzeugenden Auftritt auf die Bühne, dass die Band nicht mehr auf ihn verzichten wollte und seitdem als Quartett unterwegs war.

Das ist nun alles Geschichte. Für viele aus dem Publikum war dies beim letzten Konzert in der Bastion nur schwer zu akzeptieren. Kein Wunder: Mancher kann sich nicht mehr daran erinnern, am zweiten Weihnachtsfeiertag einmal woanders gewesen zu sein, als eben bei der Abriss-Band. Einige Besucherinnen wollen gar eine Petition einreichen, um dafür zu sorgen, dass die Band am zweiten Weihnachtsfeiertag in der Bastion auftreten muss. Doch wie dem auch sei: Wohl zum vorerst letzten Mal gab es die Songs der Pixies, Lou Reed, Sonic Youth, Walter Salas-Humara, Kurt Cobain, Neil Young, Depeche Mode, John Cale, David Crosby und die in Deutsch gesungenen Eigenkompositionen. Noch einmal gab es den schnörkellosen Sound mit der markanten Stimme und dem prägenden Bassspiel von Markus Heilmann, den mitreißenden Gitarren-Soli von Claudio Pocaro und Fred Osen und den unnachahmlichen Schlagzeug-Wirbel von Gottlob Schmid.

Das Konzert endete erst nach Mitternacht. Band und Publikum waren geschafft. Als kleinen Trost hatte die „Abriss-Band“ ihre erste und wohl auch letzte CD mit dem passenden Titel „Proberaum“ dabei, die sofort ausverkauft war.

Für viele war es ein historischer Moment, das Ende einer Epoche Kirchheimer Kulturgeschichte. Ob und in welcher Form die Bandmitglieder weitermachen, bleibt abzuwarten. Bis dahin darf gerätselt werden, wer am so prestigeträchtigen zweiten Weihnachtsfeiertag in diesem Jahr in der Bastion auftreten wird.ak