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„Es gibt kein billiges Bauen“

Wirtschaft Der Kreisbau-Vorsitzende sieht ohne Staatshilfen keine Chance, Baukosten und Mieten zu senken.

Foto: Carsten Riedl
Foto: Carsten Riedl

Kirchheim. „Beim Thema Neubau wird es mir mulmig“, sagt Bernd Weiler, Sprecher des Vorstands der Kirchheimer Kreisbaugenossenschaft, die derzeit 1670 Wohnungen im Bestand hat und 40 neue baut. Doch die Baukosten explodieren: Vor zwölf Jahren konnte man für 2000 Euro pro Quadratmeter bauen, heute liegt man in der Spitze bei 4200 oder sogar 5000 Euro. Der Kaufpreis muss mindestens zehn Prozent darüberliegen. „Sie brauchen eine Marge zur Deckung der weiteren Verwaltungsaufwendungen und Refinanzierung“, erklärt Weiler.

Künftig kommen Dinge dazu wie Stromanschlüsse für E-Autos, Photovoltaik oder Digitalanschlüsse. „Welcher Klientel können wir das anbieten?“, fragt sich der gelernte Bankkaufmann und Diplom- Betriebswirt. Das hat auch Auswirkungen auf den Mietmarkt: Eine schlüsselfertige Neubauwohnung mit vier Zimmern und 100 Quadratmetern kostet inklusive Stellplatz und Nebenkosten 1400 Euro. „Da wird die mögliche Zielgruppe dünner“, sagt er.

Die aktuelle Situation sei Folge einer Reihe jahrelanger Fehleinschätzungen. „Der Staat hat sich zurückgezogen nach Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes im Jahr 1989, hinzu kamen Fehleinschätzungen zur Entwicklung des Wohnungsmarktes“, erinnert sich Weiler. In der Folge habe man das Bauen „verschlafen“, vor allem zwischen 1990 und 2010. Gleichzeitig zog es wieder mehr Menschen in die Städte. „Diese Menschen hatte man vergessen“, glaubt er. Auch deshalb seien dort die Preise exorbitant gestiegen. Aber er gibt zu bedenken, dass „gewisse Zielgruppen schon immer Probleme hatten, eine bezahlbare Wohnung zu finden.“

Lösungsansätze gäbe es: mehr Flexibilität der Kommunen bei der Anpassung der Bebauungspläne und weniger Bauvorschriften. „Man muss wissen, was man wo darf, bevor man ein Projekt startet“, fordert er Planungssicherheit für Investoren. „Wir bauen heute wie vor 100 Jahren, viel zu aufwendig.“ In Plochingen habe man 2011 ein Bauprojekt mit 33 Wohnungen gestartet. „Jetzt werden erst die Kaufverträge unterschrieben“, sagt er. Grund für die Verzögerungen: Genehmigungen, Gutachten und Diskussionen im Gemeinderat. „Wenn Sie von einem Ausschuss ein Gutachten brauchen, der nur zwei Mal im Jahr tagt, dann müssen Sie warten“, erklärt er.

Auch eine Baugenossenschaft müsse in einer gewissen Zeit in die Wirtschaftlichkeit kommen, bei einem börsennotierten Unternehmen sei der Druck noch größer. Das gelte auch für Um- oder Neubauten. Bernd Weiler fordert: Die Möglichkeiten des Bauens müssten erleichtert werden, es müsse auch möglich sein, innerstädtisch in die Höhe zu bauen, dazu müssten wiederum die Bebauungspläne schneller angepasst werden, gerade wenn in Sachen Klimaschutz Auflagen kommen. „Mit einem Altbau schaffen sie die Effizienzklasse 55 nicht, den müssen sie abreißen. Dann muss es aber möglich sein, größer zu bauen, um mehr Mieteinnahmen zu generieren.

Damit könne zwar mehr Wohnraum geschaffen werden, die Kos- ten senke das aber nicht. Daher lautet sein Fazit: „Ohne die Politik schaffen wir es nicht.“ Und das bedeute schlichtweg, dass der Bund Fördermittel bereitstellen muss. Unter den bisherigen Umständen gebe es für die Wirtschaft kaum Anreize zu bauen, allein unter Renditegesichtspunkten. „Es gibt kein billiges Bauen.“ Deshalb erteilt der Sprecher des Vorstands der Kreisbau auch einer Mietpreisbremse eine klare Absage. Die Politik verstehe anscheinend nicht, wie der Wohnungsmarkt funktioniert. Deshalb fordert er ein eigenes Bundesbauministerium. Thomas Zapp