Lokale Kultur

Filmregisseur Krishna Saraswati erzählte mit der „Legende von Shiva und Parvati“ die ungewöhnliche Geschichte seiner Eltern

Filmregisseur Krishna Saraswati erzählte mit der „Legende von Shiva und Parvati“ die ungewöhnliche Geschichte seiner Eltern

Ein Paar, das nicht nur in Schwäbisch Gmünd für großer Aufmerksamkeit sorgte: Renate und Yogi Baba. Foto: pr
Ein Paar, das nicht nur in Schwäbisch Gmünd für großer Aufmerksamkeit sorgte: Renate und Yogi Baba. Foto: pr

Kirchheim. Welch erstaunliche Wege Menschen gehen, welche zufälligen Begegnungen sie zusammenführen und welche Umstände sie auch wieder trennen können, dokumentierte Krishna Saraswati in der Kirchheimer Stadthalle in seinem eindrucksvollen Film „Die Legende von Shiva und Parvati“, den er im Rahmen der von drei Regisseuren an drei Abenden gezeigten Reihe „Freie Geschichten“ vorführte.

In einem sehr persönlichen Film macht sich der in Deutschland lebende und im indischen Himalayagebiet geborene diplomierte junge Regisseur darin auf die Suche nach Spuren seiner inzwischen verstorbenen Eltern. Mit diesem gelungenen Film konnte er ihnen eine faszinierende aber zugleich auch sehr differenzierte und ehrliche Dokumentation widmen, die dennoch viele Fragen unbeantwortet lassen muss.

Ruhig und doch kurzweilig – da nicht linear erzählt – entwickelt sich in unterschiedlichsten Sequenzen die ungewöhnliche Geschichte seiner aus Schwäbisch Gmünd stammenden Mutter, die auf ihrer Flucht vor schwäbischer Enge und erdfarbener Eintönigkeit im bunten Trubel Indiens landet und die Einsamkeit des Himalayagebirges für sich entdeckt. Fasziniert von der charismatischen Aura Yogi Babas, lernte sie bei ihm, Ruhe in der Meditation zu suchen und fand inmitten einer zu ihrem unumstrittenen Meister aufsehenden Schar anderer „Jünger“ in der indischen Mythologie eine neue Heimat. Später kehrte sie in die ihr so fern gewordene schwäbische Provinz zurück, wo sie das karge Leben eines in engem Einklang mit der Natur lebenden und fast das ganze Jahr über in einem Zelt lebenden Hans Keck teilte.

Während sie durch die Beziehung zu dem „schwäbischen Sadhu“ und dessen von jedem unnötigen Komfort der ihn umgebenden dörflichen Zivilisation etwas abgerückten Mikrokosmos einen für sie gangbaren Weg zurück in die Welt ihrer Jugend fand, wurde Hans Keck während der gemeinsam verbrachten Zeit das Gefühl nie ganz los, sie sei noch immer nicht hier angekommen. Der Naturmensch blieb wohl immer etwas im Schatten seines indischen Vorgängers, der in Renate die Göttin Parvati gesehen hatte, die ihn als wilden Gott der ­Askese gezähmt hatte.

Hans blieb wohl während des gemeinsam verbrachten Lebensabschnitts überzeugt, dass Renate sich innerlich vielleicht tatsächlich nie ganz von ihrem Shiva Baba und seiner Weisheit getrennt hat und vielleicht doch nur aus Schutz für sich und ihre Kinder nicht wieder zurückkehrte in die für sie so lange zur Zuflucht gewordenen fernen Gebirgswelt.

Der meisterhaft geschnittene und mit Musik und O-Tönen abgemischte Film des Sohnes von Renate und Baba baut eine wunderbare Brücke zwischen Welten, die unterschiedlicher nicht sein können und doch immer wieder ungemein viel Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte erkennen lassen. Verständigungsprobleme werden durch Untertitel ausgeglichen, die die Aussagen von Shiva ­Babas einstigen Schülern genauso begleiten, wie die in Renates Heimat zu Wort kommenden Weggefährten mit ganz anderer Vita.

Ihr Bruder beleuchtet beispielsweise das einstige Familienidyll und erzählt in synchron untertiteltem Schwäbisch, dass „d‘r Vadd‘r“ davon ausgegangen sei, dass seine Kinder nach dem Abi alle auf die PH gehen werden, weil sie dann ja zu Hause wohnen bleiben können.

Renates Pläne unterschieden sich freilich deutlich von denen des Vaters. Der bei einer aktuellen Einstellung am polierten Wohnzimmertisch formvollendet mit seinem Frühstücksei beschäftigte Bruder von Renate gibt sich dem Publikum als Ex-Hippi mit Fluchtgedanken zu erkennen. Einen ganz so harten Schnitt mit der Familie wie seine Schwester vollzog er freilich nicht. Befragt, was sie beiden unterschieden habe, stellt er lapidar fest, seine Schwester sei „nach India ond er nach Tibinga zom Schtudiera – hauptsach weg aus Schwäbisch Gmend“.

Filmaufnahmen an Originalplätzen und gelungen eingebaute Bildcollagen und alte Fotografien ermöglichen tiefe Einblicke in die Welt von Krishna Sarawatis Eltern. Die immer wieder passend zwischengeschnittenen und sich dadurch oft ergänzenden oder relativierenden Aussagen von Familienangehörigen, Seelenverwandten, Zeitzeugen und Weggefährten zeigen Entwicklungen auf oder bieten auch differenzierte Erklärungen an, warum mancher Weg nicht so, sondern anders weitergegangen wurde.

Der Film, der eine spannende Brücke baut zwischen der liebevoll zugespitzten schwäbischen Provinzialität Schwäbisch Gmünds und der vermeintlichen Freiheit, mystischen Ferne und Abgeschiedenheit des Himalayagebiets erntete viel Applaus beim Publikum, das gerne die Gelegenheit nutzte, mit den drei jungen Regisseuren ins Gespräch zu kommen oder sich bei Hans Keck über sein Leben als Sadhu Auskunft geben zu lassen, dessen von der Norm abweichende Art im geordneten Schwabenland ja gravierendere Konflikte erwarten lässt als bei seinen „Kollegen“ in der deutlich toleranteren Höhenregion des Himalaya.

Der vielversprechende Einstieg in die interessante Reihe machte Appetit auf mehr. Am Mittwoch, 30. November, geht es um 19.30 Uhr in der Stadthalle völlig anders, aber wieder sehr ungewöhnlich zu. Andrea Roggon präsentiert „Enrique y Judita“ und stellt sich – wieder gemeinsam mit ihren Kollegen – den Fragen des Publikums. Im Mittelpunkt steht erneut ein sehr ungewöhnliches Paar. Die Frage, wie Enrique Grahl es geschafft hat, vom Asthma geplagten Kind, das kaum eine Treppe hinaufsteigen konnte, mit seiner Partnerin Judita gemeinsam den Weltmeistertitel im Tango zu erringen, kann er an diesem Abend selbst beantworten. Auch er freut sich darauf, nach der Filmvorführung mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen.