Lokale Kultur

„Für die Freiheit der Frauen“

Amana Fontanella-Khan stellt in der Buchhandlung Schieferle ihr Buch „Pink Sari Revolution“ vor

Kirchheim. Amana Fontanella-Khan, die Autorin von „Pink Sari Revolution“, las in der Buchhandlung

Viktoria Pardey

Margot Schieferle in Kirchheim vor rund 50 Zuhörern aus ihrem Buch über die indische „Gulabi Gang“ und deren Gründerin Sampat Pal. Die grazile Gestalt der Journalistin erinnert an eine Balletttänzerin, wie sie mit übereinander geschlagenen Beinen hinter einem großen Tisch sitzt, auf dem pinkfarben eingebundene Ausgaben ihres Werkes bereitliegen, und sich ab und an ihre Strickjacke zurechtzupft. Mit kräftiger, wohlintonierter Stimme liest die in Österreich aufgewachsene Autorin über eine Frau, die ihr nur in wenig zu gleichen scheint.

Sampat Pal stammt aus einer niederen Kaste Indiens, wurde bereits in Kinderjahren verheiratet und ist zudem des Lesens und Schreibens kaum mächtig. Wie einzigartig muss ein menschlicher Charakter beschaffen sein, um trotz alledem tausende Frauen hinter sich versammeln zu können? Fontanella-Khan versuchte dies in ihrer Lesung zu klären. Sie wählte insbesondere Textstellen aus, die den Charakter der Frau hinter dem Netzwerk der „Gulabi Gang“ zeichnen und ihr Umfeld beschreiben.

Aus einer Selbsthilfegruppe für Frauen heraus entstand die Bewegung in Uttar Pradesh, dem im Norden gelegenen bevölkerungsreichsten und ökonomisch sehr schlecht gestellten Bundesstaat Indiens. Sampat Pal, die zu dieser Zeit als Sozialarbeiterin für den Staat arbeitete, zeigte den Frauen, dass sie gemeinsam mehr erreichen und motivierte sie für ihre Rechte aufzustehen. Das Erkennungszeichen der Gruppe ist der pinkfarbene Sari, den jedes Neumitglied erhält. Der Zusammenschluss arbeitet vor allem auf regionaler Ebene gegen soziale Ungerechtigkeit, Korruption und einen als fehlgeleitet empfundenen Polizeidienst.

Masse macht den Unterschied, scheint dabei die Devise. Ob die energische Sam pat Pal mit ihren Frauen Straßen blockiert oder Polizeireviere heimsucht, Aufsehen ist garantiert. Öffentlichkeitswirksamkeit ist ein zentrales Mittel der Frauen, die zum Zeichen ihrer Kampfbereitschaft pinkfarbene Stöcke mit sich führen. Wie oft sie davon Gebrauch machen, kann der friedliebende, an den gewaltfreien Widerstand Gandhis denkende Europäer nur vermuten. Wie wichtig die freie indische Presse für das Wachsen der Gruppe war und das neuerdings aus westlichen Ländern fließende Geld, bleibt auch offen für Spekulation.

Fontanella-Khan zeichnet ein durchaus kritisches Bild der Gründerin und vermag es mit lebendigen Beschreibungen den Charakter und die Geschichte von Sampat Pal für die Zuhörer greifbar zu machen. Ihr Buch liest sich wie ein Roman, doch legt die Journalistin Wert darauf, dass es sich um ein gut recherchiertes Sachbuch handelt. Sie will eine Geschichte erzählen über indische Frauen, die nicht der häufig beschriebenen Opferrolle entsprechen. Dass das Buch in den USA gerade zu dem Zeitpunkt erschien, als im Westen von den ersten Gruppenvergewaltigungen in Indien berichtet wurde, sei ein Zufall gewesen. Auch dass das Buch gerade eine solche Straftat aufgreift.

Wie weit das Leben einer indischen Frau auf dem Land in Utta Pradesh von dem der meisten Zuhörerinnen entfernt ist, zeigte sich am Abend in der Kirchheimer Buchhandlung schnell. Interessierte Fragen wurden gestellt nach dem Alltag, über die Arbeitsweise der Gang, aber vor allem auch über Sampat Pal, die manch engagierte Fürsprache aus dem Publikum provozierte. Beeindruckt zeigten sich die Besucherinnen vor allem, von ihrem Selbstbewusstsein, unberechenbaren Willen und vielleicht der bisweilen auch abschreckenden Radikalität, mit der die Aktivistin ihre Ziele verfolgt.

Nicht viele Männer waren in die Buchhandlung Margot Schieferle gekommen, die zusammen mit der Kirchheimer Frauenliste die Veranstaltung organisiert hatte. Auch wenn es sich bei der „Gulabi Gang“ um einen Zusammenschluss von Frauen handelt, berichtet Fontanella-Khan, dass ungefähr die Hälfte der Menschen, denen Sampat Pal versucht zu helfen, Männer sind. Die Autorin unterstreicht, dass es nicht unbedingt um Verbesserungen für das weibliche Geschlecht geht, sondern dass die Besonderheit darin liegt, dass die gesellschaftlichen Verbesserungen von den unterdrückten Frauen erreicht würden. Ihnen also eine aktive Rollte zukommt. Eine Auffälligkeit in der größten Demokratie der Welt ist es, dass immer noch weibliche Säuglinge von ihren Familien ermordet würden, weil sie sich die Mitgift nicht leisten könnten.

Ein gelungener Abend voller Denkanstöße für das eigene Leben, fasst eine Zuhörerin die Wirkung der Lesung zusammen. Schließlich zeige das Beispiel der Sampat Pal, wie wichtig es sei auch im Kleinen sich einzusetzen. Der berühmte Tropfen mache in der unmittelbaren Umgebung manchmal den Unterschied.