Kirchheim

Getreide-Ernte ist schon eingefahren

Landwirtschaft Mit dem Preis für ihr Korn sind die Bauern nicht zufrieden. Er wird wie Rohöl an der Börse gehandelt, Corona hat auch hier vieles durcheinandergewirbelt. Qualität und Menge sind durchschnittlich. Von Iris Häfner

Symbolbild Ernte. Foto: Dieter Ruoff
Symbolbild Ernte. Foto: Dieter Ruoff

Schwere Maschinen waren die vergangenen Wochen landauf, landab unterwegs. Auch wer nichts mit der Landwirtschaft zu tun hat, bemerkte zwangsläufig die erhöhte Aktivität auf Straßen und Feldwegen. Mähdrescher leisteten bis spät in die Nacht auf den Äckern ihren Dienst oder waren auf dem Weg dorthin unterwegs. PS-starke Traktoren zogen zwei große Erntewagen hinter sich her. Ihr Ziel war meist die nächstgelegene Getreidemühle oder der Hafen in Plochingen, ebenfalls Umschlagplatz für Weizen und Co.

Auf den Äckern war und ist aber noch lang nicht Ruh’. Den Mähdreschern folgten die großen Pressen auf dem Fuße, um das Stroh kompakt in Rund- oder Quaderballen transportgerecht in Form zu bringen. Die Stoppelfelder werden immer weniger, denn die Bauern ziehen ihre Grubber in langen Bahnen über die Felder, um den Boden zu bearbeiten und die nächste Saat vorzubereiten.

Der Jesinger Müller Ulrich Sting stuft die Ernte in Menge und Qualität „normal“ ein. Im April und Mai war es trocken, im Mai kam noch die Kälte dazu. „Im Mai ist beim Wachstum nichts vorwärts gegangen, der Boden war einfach zu kühl“, erklärt Ulrich Sting. Die Getreidehalme standen dünn in den Reihen, weshalb Müller und Bauern schon eine magere Ernte befürchteten. Pro Korn gab es deutlich weniger Halmtriebe. „Doch dann kam der schöne, sanfte Regen. Das Bissle, das auf den Äckern stand, hat dann die Nährstoffe aus dem Boden aufgenommen, um einen Ertrag zu bilden“, beschreibt Ulrich Sting die positive Entwicklung. Allerdings brachte die Hitze im Juni den Vorgang wieder ins Stocken.

Das kann Siegfried Nägele aus Bissingen, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Esslingen, bestätigen. „Dieses Jahr war untypisch für das Wintergetreide. Es kommt wegen der Winterfeuchtigkeit normalerweise besser durchs Jahr. Aber im Winter und im Frühjahr hat der Regen gefehlt, deshalb sind Raps, Winterweizen und -gerste am Anfang sehr schleppend gewachsen. Der Regen kam dann gerade noch rechtzeitig“, erklärt der Landwirt.

Die Erntebedingungen waren dagegen ausgezeichnet. Stroh und Getreide kamen trocken vom Acker in die Lagerung, und dank der fehlenden Niederschläge gab es wenig Pilze. Weil die Halme dünn standen und kein Gewittersturm die Ähren zu Fall brachte, konnten die Mähdrescher zügig über die Felder fahren. Auch das anhaltende gute Wetter ent­spannte die Ernte. Die Lohndrescher konnten ohne bange Blicke zum Himmel ein Feld nach dem anderen abernten.

Die Kornspeicher sind auch in der Mühle in Owen voll. „Die Ernte verlief ähnlich wie im vergangenen Jahr“, sagt Ursula Flad von der Mühle Ensinger. Bislang kann sie über die Qualität keine Angaben machen, sie hat das Getreide vorwiegend angenommen. Sie war die Ablieferstelle für die Landwirte im Lenninger Tal. Von dort wurde das Getreide dann in die großen Lagerstätten weiterverteilt.

Getreide wird mittlerweile auf dem Weltmarkt als Rohstoff wie Gas und Öl an der Börse gehandelt. „Man kann sich jetzt schon den Weizen-Börsenpreis wie beim Öl für das Jahr 2024 sichern“, erklärt Ulrich Sting. Der derzeitige Preis liegt seiner Einschätzung nach auf Vorjahresniveau, wobei der „physische Markt“ - also das Getreide, das gemahlen wird und dann beim Verbraucher landet - Träger ist und in der Regel in der Tendenz dem Börsenpreis hinterherhinkt. Der liegt derzeit für eine Tonne Weizen bei rund 182,50 Euro. „Der Preis ist nicht gut - egal, welche Getreidesorte. Der gesamte Markt ist corona-bedingt durcheinander gekommen. Es geht rauf und runter“, sagt Siegfried Nägele und Ulrich Sting ergänzt: „Die Börsenpreise sind weggenknallt wie beim Sprit - sie sind zu Schrott geworden. Durch die Hamsterkäufe hat sich der Preis dann aber wieder relativ schnell aufgerappelt. Was in drei Tagen in einem Handstreich weggebrochen ist, ist in drei Wochen wieder hingewachsen“, fasst er die turbulente Zeit zusammen. Und weil keine Vereins- und Volksfeste stattfinden, wird weniger Bier getrunken, was wiederum den Preis für die Braugerste fallen lässt. Mit rund 162 Euro wird die Tonne derzeit gehandelt.

Nach den Mähdreschern kommt das nächste schwere Gerät auf den Acker: Das Stroh wird zu großen Ballen gepresst. Foto: Markus Brän
Nach den Mähdreschern kommt das nächste schwere Gerät auf den Acker: Das Stroh wird zu großen Ballen gepresst. Foto: Markus Brändli