Bergwacht Lenninger Tal arbeitet mit dem neu entwickelten Zweibein
Hightech bei der Bergrettung

Als einzige Bereitschaft in Württemberg besitzt die DRK-

Bergwacht Lenninger Tal ein spezielles Rettungsgerät: das Zweibein. Mit ihm lassen sich Verunglückte wesentlich sanfter aus ihrer misslichen Lage befreien als bisher.

Iris Häfner

Neidlingen. Geradezu ins Schwärmen kommen die Mitglieder der Bergwacht Lenninger Tal, wenn sie über ihr neues, rund 2

 000 Euro teures Gerät sprechen. „Es wurde für die Rettung im Gebirge entwickelt und ist für uns am Albtrauf mit den steil abfallenden Felsen ideal“, sagt Dieter Beuttel, lange Jahre Leiter der Bereitschaft und mittlerweile Pressereferent, über das Zweibein samt hochmodernem Bergesack

.

Ausschlaggebend für diese Investition war der Abzug des Rettungshubschraubers für die Bergwacht in

Malmsheim bei Renningen. „Wir müssten den Heli aus Landsberg oder Nürnberg anfordern. Bis der hier ankommt, ist zu viel Zeit vergangen“, erklärt Bereitschaftsleiter Ralf Wurster. Der Hubschrauber wurde angefordert, wenn jemand in stark unwegsamem Gelände abgestürzt ist. Fällt diese Alternative weg, müssen die Retter die Verunglückten bis zum nächsten befahrbaren Weg manchmal über lange Strecken im Wald zum Rettungswagen transportieren.

Mit dem neuen Zweibein ist die Rettung mit kurzem Weg nach oben auch ohne Hubschrauber möglich. Das Hightech-Gerät aus Carbon wurde von einer österreichischen Firma entwickelt und verlangt einiges Fachwissen von den Bergrettern, da bei falscher Handhabung das Material brechen kann. Bereits im Sommer kam das Gerät erstmals im Ernstfall zum Einsatz. 18 Minuten hat es gedauert, bis der verletzte Kletterer am Reußenstein wieder auf festem Boden angekommen war. „Davor haben wir intensiv geübt und uns mit der Technik vertraut gemacht. Jeder Handgriff muss sitzen, denn schließlich hängt unser Leben und das des Verunglückten davon ab“, so Ralf Wurster.

Insgesamt wiegt die Ausrüstung etwa 20 Kilogramm und kann von wenigen Rettern transportiert werden. Dazu gehört auch eine Schlagbohrmaschine. Mit ihr werden an der Felskante Löcher in das Gestein gebohrt, um die zwei Beine fest fixieren zu können. Als drittes „Standbein“ dient ein ausgeklügeltes System von miteinander verknoteten und verbundenen Seilen. Es kann an einem Auto oder Baum verankert werden, sodass ein Flaschenzug entsteht. Dadurch kann das Zweibein in verschiedene Schräglagen gebracht werden und sich so flexibel dem Gelände anpassen. Dank des verlängerten Arms ergibt sich eine Aufhängung, die einen Abstand von etwa einem Meter zwischen Felswand und Kletterer ermöglicht. An diesem Arm seilt sich nun der Bergretter mitsamt dem Bergesack bis zum Verunglückten ab. „Wir können damit bis zu 50 Meter senkrecht runter am Fels“, erklärt Ralf Wurster. Für diese Rettung reichen fünf Mitglieder aus: einer an der Trage, drei am Flaschenzug und einer, der alles im Blick hat, denn der richtige Winkel ist für die Stabilität und Sicherheit des Rettungsgeräts entscheidend.

Auch der Bergesack ist eine Neuentwicklung, von der die Mitglieder der Lenninger Bergwacht begeistert sind. Kleine Styroporkügelchen dienen als Boden im Vakuumsack. Mit einer Pumpe lässt sich die Luft absaugen, sodass sich der Bergesack perfekt an die Körperform des Verletzten anpassen kann und so den Patienten stabilisiert. „Das ist vor allem bei Rückenverletzungen wichtig“, verdeutlicht Dieter Beuttel. Schonend ist der Transport auch deshalb, weil der Verunglückte nicht mehr über die Felskante gewuchtet werden muss, sondern mit seinem Retter so weit hinaufbefördert wird, dass er aus luftiger Höher zum Felskopf gezogen und von dort sanft auf dem Boden abgesetzt werden kann.

Bereits sieben Mal musste die Bergwacht in diesem Jahr ausrücken, darunter waren vier Totenbergungen. Die Einsätze der Bergretter gestalten sich recht unterschiedlich. Kletterer, Wanderer und Mountainbiker befreien sie aus misslichen Lagen. „Wir holen aber auch Gleitschirmflieger von den Bäumen, speziell in Neuffen“, erzählt Ralf Wurster. Dank des zerklüfteten Albtraufs ist ihr Einsatzgebiet recht groß: Es reicht von der Berghalbinsel Erkenbrechtsweiler-Neuffen und der Schopflocher Alb über das Lenninger, Neidlinger und Weilheimer Tal. Außerdem gehören die gesamte Markung der Gemeinde Römerstein und die Teck dazu.