Kirchheim

„Ich dachte, mein Hals wird nie wieder frei“

Erfahrungsbericht Ein Kirchheimer erzählt, wie es ihm mit seiner Corona-Erkrankung ergangen ist. Im März war er mit Freunden zum Skifahren in Ischgl. Von Andreas Volz

Dichtes Gedränge beim Skiurlaub in Ischgl wurde einem Kirchheimer fast zum Verhängnis: Erst gut fünf Monate später hat er seine
Dichtes Gedränge beim Skiurlaub in Ischgl wurde einem Kirchheimer fast zum Verhängnis: Erst gut fünf Monate später hat er seine Corona-Erkrankung einigermaßen überwunden. Symbolfoto

Lange hatte er an nichts Schlimmes gedacht. Dann aber hat es ihn heftig erwischt: Tobias R. (Name geändert) gehörte zu den ersten Kirchheimern, die sich mit dem Coronavirus angesteckt hatten. Inzwischen sind fast alle Folgen überwunden. Aber schon frühzeitig wurde ihm klar: „Das will ich nicht noch einmal erleben.“

Im März war er mit drei Freunden in Ischgl. „Corona war natürlich schon in aller Munde“, sagt Tobias R. rückblickend. „Deswegen habe ich vorher extra geschaut, ob Ischgl ein Risikogebiet ist. War es aber nicht, als wir aufgebrochen sind.“ Selbst als einer der vier eine Nachricht auf sein Handy bekam, dass es in ­Ischgl einen Corona-Fall geben soll, machte sich keiner von ihnen allzu große Sorgen. „Auf der Piste selbst bist du ja immer an der frischen Luft“, erzählt Tobias R., „und auch in den Restaurants sind wir nicht so eng zusammengesessen.“

Am Abend sah es anders aus. Der Slogan in Ischgl heißt „Relax, if you can“. Aufs Entspannen sei Ischgl aber nicht ausgelegt: „Die Après-Ski-Lokale sind gerammelt voll. Die Luft ist schlecht, und ich bin mir nie sicher, ob die Gläser ordentlich gespült werden.“ Außerdem machen die Kellner im Gedränge per Trillerpfeife auf sich aufmerksam. Vor Corona hat Tobias R. solche Zustände nicht so eng gesehen: „In Ischgl bin ich immer davon ausgegangen, dass ich mit einer Erkältung heimkomme. Deswegen habe ich mir auch beim Halsweh am Samstagmorgen nicht viel gedacht - und deswegen bin ich auch am Montag wieder zur Arbeit gegangen. Das war allerdings ein großer Fehler.“

Am Montagabend sei es richtig losgegangen, erinnert sich der End-Vierziger: „Da habe ich Schüttelfrost und hohes Fieber bekommen. Ich habe mir aber auch da nichts gedacht. Es hätte immer noch eine Erkältung oder eine Grippe sein können.“ Am Dienstag blieb er daheim: „Ich hatte von da an drei Tage lang durchgehend 39,5 Grad Fieber. Das macht dich ja auch fertig.“ Richtig „fertig“ war er aber erst, als sich im Lauf des Dienstags seine drei Freunde nacheinander meldeten und ebenfalls von Fieber berichteten.

Zum Fieber kamen Husten, Schnupfen, allgemeines Schlappheitsgefühl hinzu - genügend Symptome, um vom Hausarzt ins Abstrichzentrum geschickt zu werden. „Die Symptome haben mir keine Angst gemacht. Die Angst kam erst hinterher, als ich wusste, dass ich ein Virus habe, über das man noch gar nichts weiß.“

Drei Wochen lang war Tobias R. in Quarantäne. Der Tagesablauf entsprach in der ersten Zeit dem eines Grippekranken: „Nachts habe ich zwölf Stunden geschlafen, und tagsüber noch einmal fünf Stunden.“ Weil seine Frau ebenfalls Symptome aufwies, obwohl sie nicht mit in Ischgl war, mussten Freunde und Nachbarn den Einkauf übernehmen - auch wenn die Krankheit bei seiner Frau einen vergleichsweise milden Verlauf nahm. Ihm selbst ging es erst nach zwei Wochen wieder etwas besser. „Husten und Schnupfen sind aber länger geblieben. Ich dachte, mein Hals wird nie wieder frei.“

Auch Kollegen infizierten sich

Gearbeitet hat er im Homeoffice. Aber der fatale erste Montag im Büro hat dazu geführt, dass Kollegen angesteckt wurden: „Auch welche, mit denen ich gar nicht so sehr in Kontakt war.“ Eine Mitarbeiterin wurde heftig krank und hat auch noch ihre Mutter angesteckt. Ein Zwischenfazit von Tobias R.: „Schon allein wegen den Kollegen will ich das nicht mehr.“

An Sport hat er monatelang gar nicht gedacht. „Ich hatte das Gefühl, das geht nicht, das kann ich gar nicht. Beim Wandern in Bay­ern bin ich zwei Monate später kaum den Berg hochgekommen.“ Fast fünf Monate lang hatte Tobias R. das Gefühl, dass es nie wieder so wird wie früher: „Immer wieder hatte ich Probleme, weil ich dachte, ich kriege zu wenig Luft.“

Eine der größten Sorgen von Tobias R., nachdem er Corona einigermaßen überwunden hat: „Viele Leute nehmen das immer mehr auf die leichte Schulter.“ Masken und die Warn-App hält er für sinnvoll. Beides könne helfen, die Infektionen einzudämmen. Er will sich auch impfen lassen, sobald ein Serum verfügbar ist.

Auch schon in der Zeit vor Corona hatte er über andere Hygieneregeln nachgedacht, etwa über den Verzicht aufs Händeschütteln: „Dann gibt es auch weniger Grippe- und weniger Magen-Darm-Erkrankungen. Das ist gut für jeden einzelnen, der nicht krank wird. Und es ist gut für jeden Betrieb, der weniger Ausfälle hat.“

Für Menschen, die Corona verharmlosen, fehlt Tobias R. nach seiner eigenen Erfahrung jedes Verständnis. Einmal ist ihm in einem Laden eine „Corona-Leugnerin“ begegnet, die auf Masken geschimpft hat. „Ich stand dicht hinter ihr und habe nur gesagt, dass ich infiziert war, jetzt aber nach heftiger Erkrankung wieder gesund bin. Da hat sie plötzlich Hopsätze gemacht. Das war ihr dann doch nicht ganz geheuer.“