Lokale Kultur

„Ich möchte ein stillvergnügter Clown sein“

Literarisch-musikalischer Abend mit Gerhard Landauer, Hartmut Schallenmüller und Dankward Radunz

Kirchheim. Mit einem zusätzlichen schwarzen Sakko hätten die drei einmarschierenden „Gladiatoren“ glatt als „Die drei Tenöre“ durchgehen können. Dass die hemdsärmlig aufmarschierende „Boy Group“ aber vorwiegend dozieren und rezi-

tieren wird, war klar vereinbart. „Ich möchte ein stillvergnügter Clown sein“, war der Abend überschrieben, der im Rahmen der Reihe „Gereimtes & Ungereimtes“ in der Kirchheimer Stadtbücherei angeboten und erwartungsgemäß auch wieder sehr gut besucht wurde.

Mit ihren klassischen schwarzen Hosen und dazu passenden weißen Hemden kamen die drei seriös wirkenden Akteure aber keinesfalls wie Clowns daher. Genau das wollten sie nach eigenem Bekunden sein – aber eben nicht nur. Dass es sich drei Kirchheimer Lehrer auch im Ruhestand nicht leisten können – oder wollen –, ihnen anvertraute lernfähige Menschen nicht nur zum Schmunzeln zu bringen, sondern automatisch darum bemüht sein müssen, sie auch zum Nachdenken anzuregen, versteht sich von selbst.

Mit Hanns Dieter Hüschs „Ich möchte ein Clown sein“ bestritt das Trio den gut inszenierten Einstieg in einen rundum stimmigen musikalisch-literarischen Abend. Dankward Radunz sorgte dabei fingerfertig für den passenden und durchgängig sehr guten Ton, Gerhard Landauer und Hartmut Schallenmüller mit gewissenhaft rezitierten und klug ausgewählten Gedichten immer wieder für die erforderlichen Zwischentöne.

Damit kokettierend, dass sie in der Schule vielleicht etwas zu wenig zu lachen hatten, gönnten die drei Ruheständler sich und dem Publikum vorwiegend heitere Texte, waren aber stets auch äußerst entspannt um Ernsthaftes zum Ausgleich bemüht. Gleich zu Beginn stand aber die unverzichtbare Aufnahmeprüfung für das versammelte Publikum an, das im dann verlesenen „Ich als Dichter“ erwartungsgemäß den „armen Poeten“ Carl Spitzweg sofort erkannte.

Peter Rümkorfs Beschäftigung mit den nachhaltigen Folgen eines Paradiesvogelschisses wurde kontrastiert mit einem angeblich von Einfallslosigkeit bestimmten Nachmittag Robert Gernhardts, der dem Künstler Paul Klee immerhin in Reimform übermitteln konnte, dass er auf dem Weg zum WC in einem Nürtinger Hotel zweifellos sehr präsent sei.

Ernst Jandls lautmalerischem „Otto Mops“ folgten Robert Gernhardtsche Nachdichtungen, die mit „Gudruns Luchs“ und „Gittis Hirsch“ nach Jandls „o“ folgerichtig auch das „u“ und das „i“ entsprechend unernst – dafür aber extrem häufig – zu Wort kommen ließen.

Nach der Beschäftigung mit der mitunter Buchstaben unterschlagenden oder versehentlich verdrehenden „Ungerechenbaren Schreibmischane“ von Josef Guggenmoos setzten die drei Pädagogen auf der nach oben offenen Nonsens-Skala mit dem gemeinsam gesungenen „großen Lalula“ aus der Feder von Christian Morgenstern einen neuen Richtwert.

Die von Fred Endikat aufgeworfene Grundsatzfrage, was eigentlich „Humor“ ist, wurde kurzerhand mit einem Witz – dem „kleinen Bruder des Humors“ – beantwortet. Ein Beamter wird gefragt, warum er einen faulen Apfel isst, und antwortet träge, dass das Obst beim ersten Biss noch völlig frisch gewesen sei.

Auf Kurt Tucholskis Spuren wurde anschließend vermittelt, wie schwierig, kompliziert und wenig zielführend es sein kann, wenn ein um optimale Wiedergabe bemühtes Ehepaar versucht, einen Witz zu erzählen, aber letztlich durch den sich immer stärker verschärfenden Streit dem immer gespannteren Publikum die Pointe schuldig bleiben muss.

Mit der Pikanterie eines unter ungünstigen Umständen versehentlich im Reißverschluss eines männlichen Hosenladens eingeklemmten Rüschenkleidchens erinnerten die poesiesicheren Pädagogen an den verstorbenen Emil Autenrieth aus Weilheim und die in seinen „Achillesversen“ unsterblich gemachte „Tücke des Objekts“.

Nach einer kurzen Verschnaufpause sorgten die eindrucksvollen Rezitationen von Gerhard Landauer – mit Bertold Brechts „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking“ – und Hartmut Schallenmüller – mit Ludwig Uhlands „Des Sängers Fluch“ – für uneingeschränkt konzentrierte Aufmerksamkeit für ihre jeweiligen Lieblingsgedichte.

Ephraim Kishons an Selbstironie kaum zu überbietendes Stranderlebnis „Im Zeichen des Kreuzworträtsels“ führte nach diesen literarischen Höhen rasch wieder zurück zu bodenständiger aber zugleich auch kurzweiliger Unterhaltung.

Auch wenn der Held der anekdotischen Handlung schon zwanzig Jahre kein Kreuzworträtsel mehr gelöst hat, gelingt es dem an fernen Strandgefilden dösenden Zeitungsleser tatsächlich, durch virtuose Lösungen den „auf dem Spiel stehenden Ruf Europas“ zu retten. Er schafft es, die ihn umringenden wissbegierigen Jugendlichen zu überzeugen, dass die Lösung für „führende Macht der westlichen Hemisphäre“ zweifellos „Ulm“ und der gesuchte „Feldherr des Dreißigjährigen Krieges“ nun einmal „Wafranyofl“ sein muss . . .

Klarer Höhepunkt des Abends war aber der in den Niederungen des Alltags spielende und im überzeugenden „Wechselgesang“ wiedergegebene Dialog „Feierabend“, mit dem „Loriot“ – alias Vicco von Bülow – Grundprobleme menschlichen Zusammenlebens und uneingeschränkter Übereinstimmung – in angeblicher Überzeichnung – kongenial auf den Punkt bringt.

Auch Gerhard Landauer und Hartmut Schallenmüller liefen in den Paraderollen der hyperaktiven und alles regelnden Hausfrau und des einfach nur sich ausruhen wollenden Ehemannes zu Höchstform auf.

Gemeinsam mit Dankward Radunz, der nach Tango-Improvisationen, Freiheitshymnen, Flügen zum Mond oder „Über den Regenbogen“ auch noch bei der gerne gewährten Zugabe einen sicheren musikalischen Rückhalt bot, bestritten die Lehrer dann doch noch ein konzertantes Finale, das auch einem Konzertausklang der „Drei Tenöre“ allemal zur Ehre gereicht hätte.