Kirchheim

In der Thomaskirche gibt es Platz für jeden

Kirche Der Andrang am ersten Tag der Kirchheimer Vesperkirche ist so groß, dass am Ende die Spätzle ausgehen. Noch bis zum 11. Februar gibt es täglich Mittagessen. Von Peter Dietrich

Volles Haus in der Kirchheimer Thomaskirche: Der erste Tag der Vesperkirche war ein Erfolg. Fotos: Peter Dietrich
Volles Haus in der Kirchheimer Thomaskirche: Der erste Tag der Vesperkirche war ein Erfolg. Foto: Peter Dietrich

Nicht jede der rund 380 Essensmarken für die Kirchheimer Vesperkirche, die am ersten Tag weggingen, wurde gleich eingelöst. Manche Gäste deckten sich schon für die nächsten Tage ein. In der Regel sei die Nachfrage recht konstant, sagte Diakon Uli Häußermann. „Bei Bedarf können wir nachbestellen. Das kam in den vergangen drei Jahren ein- oder zweimal vor.“ Dass beim Lieferanten, der Firma Aramark, dreimal am Sonntag der Betriebsleiter und der Koch zur Sonderschicht anrücken, rechnet er den beiden hoch an. „Gekocht wird in Nabern, auf Regionalität legen wir Wert.“ An den beiden Samstagen gilt Selbstversorgung, dafür wird unter anderem die Neuapostolische Kirche einige Hundert Maultaschen wickeln.

Unter den über 200 Mitarbeitern sind diesmal 25 Neuzugänge. Ihr Einsatz begann mit einer eineinhalbstündigen Hygieneunterweisung. Alles lief gestern von Anfang an, und am Ende war im einzigen Resteeimer wenig mehr als der Boden bedeckt. „Heute haben die Leute super ausgeschleckt!“, lobte Häußermann. Die Finanzen sei en in den letzten drei Jahren aufgegangen. Das liegt zum einen daran, dass viele mehr als den Mindestpreis von 1,50 Euro bezahlen, der Wert des Essens liegt bei 5,50 Euro. Es liegt genauso an den bereitwilligen Sponsoren: Viele Firmen und Händler der Region sind dabei. „Ich finde jedes Jahr neue“, sagt die erfolgreiche Chefsammlerin, die für ihren Fleiß trotz guten Zuredens nicht namentlich in die Zeitung will. Sie freut sich, wie schnell sie oft Zusagen bekommt, teils innerhalb von Stunden. Ob Zucker, Milch, Tischschmuck oder Desinfektionsmittel: Alles ist gespendet. Auch der Kuchen: 15 Stück kommen jeden Tag von einer anderen Kirchengemeinde, zehn von den Mitarbeitern.

Eigentlich hatte Ingrid Riedl am Freitag ihren letzten Arbeitstag bei der Diakonischen Bezirksstelle. „Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, die zehnte Vesperkirche zu eröffnen“, sagte sie zu ihrem letztmaligen Auftritt mit dienstlichem Namensschild. „Es ist Platz für jeden da“, sagte sie im Gottesdienst. Das gelte für Jung und Alt, Familien und Alleinstehende, für den, dem es gut gehe und für den, der es schwer habe. Danach wurden, wie in jedem Jahr, an den Altarkerzen Lichter entzündet und an die Tische gebracht, damit war die Vesperkirche eröffnet.

„Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht“: Zur Eröffnung gehörte zwingend das Vesperkirchenlied. Im Gottesdienst wurde ein 3D-Illusionsbild mit Rosen verteilt, aus dem bei richtiger Betrachtung ein Herz hervorspringt. „Das Herz Gottes ist noch da und es ist dir zugewandt“, sagte Pfarrer Axel Rickelt in seiner Predigt. Das zeige sich aber nur im Blick des Glaubens: „Ich kann das Bild aus jedem Winkel untersuchen, die Lupe nehmen, das Herz finde ich nicht.“

Info Die Vesperkirche in der Kirchheimer Thomaskirche ist bis zum 11. Februar täglich von 11.30 bis 14 Uhr geöffnet, das Essen wird von 12 bis 13.45 Uhr serviert. Es kostet mit Getränken, Kaffee und Kuchen 1,50 Euro. Wer das nicht aufbringen kann, bekommt in der Diakonischen Bezirksstelle Gutscheine. Der Omnibusverkehr Kirchheim (OVK) bietet einen kostenlosen Busshuttle an. Den Fahrplan und Infos gibt es im Internet: www.vesperkirchen-landkreis-esslingen.de.

Eröffnung der 10. Vesperkirche Kirchheim-Teck - Diakon Uli Häußermann
Diakon Uli Häußermann. Foto: Peter Dietrich

Drei Fragen an Diakon Uli Häußermann

1. Wo wurde die Vesperkirche erfunden?

Die Zahlen sprechen für sich: Es gibt 27 Vesperkirchen in Württemberg, drei in Baden und nun auch zwei in Bayern. Vespern ist ganz klar schwäbisch!

2. Wie sind Sie persönlich zur Vesperkirche gekommen?

Meine Mutter ist relativ früh gestorben. Mein Vater war die Generation, die sich nicht helfen lassen wollte, 1936 geboren. „Ich komme mit Grießbrei durch, ich brauche kein Essen von der Diakoniestation.“ Aber zur Vesperkirche konnte er nach Ulm fahren, bekam dort regelmäßig hochwertiges Essen, hatte Ansprache, kam unter Leute. Er kam aus dem Dorf, letztes Haus am Ort, da war wenig los. Da habe ich gemerkt: Vesperkirchenarbeit ist ganz wichtig.

3. Welche Gruppe stellt die meisten der über 200 Mitarbeiter?

Wir brauchen Leute, die tagsüber Zeit haben. Das sind oft Leute, die schon im Ruhestand sind. Am Wochenende haben wir ganz andere Mitarbeiter, auch jüngere. Das schönste ist, dass Senioren sich einbringen können mit der Kraft, die sie haben. Wir finden für jeden einen Platz, wo es passt, auch beim Bügeln. Unsere Hauptmitarbeiterschaft ist über 50, 60 Jahre alt. Es sind aber auch einige Schüler der Teck-Realschule dabei. pd