Kirchheim

In der Wirtschaft rumort es

Lockdown Der BDS-Landesverband hat seine Mitglieder zur Situation der Unternehmen befragt. Jan Dietz, Mitglied im Landesvorstand und Vorsitzender des Kreisverbands, fordert von der Politik mehr Transparenz. Von Andreas Volz

Der Bund der Selbständigen (BDS) Baden-Württemberg kritisiert den „wahrgenommenen Aktionismus der Landes- und Bundespolitik“ im Zusammenhang mit dem aktuellen Lockdown. So steht es in der Pressemitteilung über eine interne Befragung, an der sich mehr als 500 Firmen beteiligt haben.

Jan Dietz, Vorsitzender des BDS-Kreisverbands Esslingen und Mitglied des Landesvorstands, hält es für „nicht hinnehmbar, dass die Entspannung der Lage im Sommer nicht intensiv dazu genutzt wurde, detailliert zu untersuchen, in welchen Branchen erhöhtes Gefahrenpotenzial besteht und in welchen nicht“. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen seien stark betroffen. Und genau deren Interessen vertrete der BDS: „Als Mittelstand sind wir hier präsent und zahlen hier unsere Steuern. Es geht uns nicht um die großen Konzerne, die weltweit steueroptimierend unterwegs sind.“

„Corona ist für viele zu abstrakt“

BDS-Mitglieder seien Unternehmer, deren Mitarbeiterzahl von eins bis 250 reicht: „Die meis­ten kommen auf weniger als zehn Leute.“ Weil sie aber „so sehr mit Schaffen beschäftigt sind“, kommen sie eher nicht dazu, auch noch lautstark ihre Interessen zu vertreten. Das gelte auch für den Umgang mit der Corona-Pandemie: „Corona ist für viele zu abstrakt. Wenn Ursache und Wirkung zu weit auseinanderdriften, versteht man es nicht mehr so richtig.“

Deswegen fordert Jan Dietz „einen ordentlichen Diskurs - mit Zahlen, die belastbar sind“. Als Beispiel nennt er die Infektionsgefahr in Restaurants und Fitnessstudios: „Die haben jetzt geschlossen, obwohl es hieß, dass keine große Gefahr besteht, weil sie die Hygiene- und Abstandsregeln gut umgesetzt haben.“ Eine aktuelle Studie aus den USA besage nun genau das Gegenteil. Auf der anderen Seite des Atlantiks scheint von Restaurants und Fitnessstudios eine besonders große Gefahr auszugehen.

Genau solche vermeintlichen Widersprüche meint Jan Dietz, wenn er sagt: „Wir wollen eine unaufgeregte, sachliche Diskussion mit offenem Ergebnis.“ Im Fall der Restaurants und Fitnessstudios könnte herauskommen, dass tatsächlich keine große Gefahr besteht - aber auch, dass es richtig war, ihnen die Schließung zu verordnen. Vielleicht liegt die Wahrheit in der Mitte. Und vielleicht sind auch beide Meinungen zutreffend. Es wäre ja denkbar, dass Gastronomen und Fitnessstudiobetreiber in Deutschland wirklich die richtigen Vorkehrungen getroffen haben, um die Infektionsgefahr zu minimieren. Und genauso wäre es denkbar, dass sich diese Situation nicht auf die USA übertragen lässt - dass dort also in derselben Branche ein hohes Ansteckungsrisiko besteht. „Das muss man analysieren und bewerten.“

Schulen und Kindergärten seien beim aktuellen Lockdown ebenso ausgenommen wie die Industrie. Auch an solchen Punkten würde Jan Dietz gerne über die Sinnhaftigkeit diskutieren. „Der Staat kann Rahmenbedingungen setzen. Aber er kann nicht jeden Einzelfall regeln.“ Wichtig sei es, den Menschen zu erklären, warum etwas so und nicht anders anzuordnen ist: „Ein gewisser Teil hat seine Schwierigkeiten damit, eigenverantwortlich zu handeln. Aber viele halten sich auch gerne freiwillig an Regeln - wenn sie diese Regeln nachvollziehen können.“

Viele Betriebe halten Besprechnungen virtuell ab, obwohl sich die Teilnehmer persönlich treffen könnten. Sicherheit und der Schutz vor Infektionen haben also einen hohen Stellenwert - mitunter sogar über die gesetzlichen Einschränkungen hinaus. Das funktioniere vor allem über Einsicht und Verständnis. Um das zu fördern, braucht es nach Ansicht von Jan Dietz mehr Transparenz.

Umgekehrt verlangt er auch von der Politik mehr Verständnis für die Lage der Unternehmen: „Viele unserer Mitglieder müssen jetzt an jeder Ecke schauen, wo sie dieses Jahr noch irgendwo einen Umsatz herkriegen.“ Wenn dann aber von 25 Milliarden Euro an Fördermitteln bislang gerade einmal 950 000 Millionen abgerufen wurden, sage die Politik: „Wunderbar, das wird gar nicht benötigt, der Wirtschaft geht es also viel besser als erwartet.“

Für Jan Dietz dagegen sind die Gründe, warum Mittel nicht abgerufen werden, ganz unterschiedlich: „Viele haben gut gewirtschaftet und greifen zunächst einmal auf die eigenen Rücklagen zurück. Viele rufen die Mittel aber auch deshalb nicht ab, weil sie nicht wissen, wie sie das später zurückzahlen sollen.“ Auch das wäre also ein Fall für den offenen, sachlichen Diskurs - mit offenem Ausgang.