Kirchheim
In Kirchheim fehlt Platz für Betriebe

Stadtentwicklung Örtliche Firmen können sich nicht ausdehnen, neue nicht ansiedeln. Die Stadtverantwortlichen machen sich ganz grundsätzliche Gedanken darüber, wo der Weg hinführen soll. Von Irene Strifler

Gute Noten stellen Kirchheims Betriebe der Stadt überwiegend aus: Sie sind - abgesehen vom Standard der Breitbandversorgung - mit ihrem Standort zufrieden. „Darauf können Sie stolz sein“, bescheinigte Professor Alfred Ruther-Mehlis den Stadträten. Er stellte kürzlich die Ergebnisse der Untersuchung der Gewerbeflächenentwicklung vor, die gemeinsam mit dem Institut für Stadt- und Regionalentwicklung (IfSR) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen erarbeitet wurde. „Kirchheim besitzt großes Entwicklungspotenzial“, bescheinigte der Fachmann den Stadträten. Die Lage im wirtschaftlich starken Raum Stuttgart an der Autobahn, die S-Bahn-Nähe und die kurze Distanz zur Messe und zum Flughafen sind Pfunde, mit denen sich wuchern lässt.

Doch damit genug an guten Nachrichten. Tatsache ist nämlich, dass aktuell so gut wie keine Flächen für weitere Ansiedlungen oder für die dringend gewünschten Erweiterungen ansässiger Betriebe zur Verfügung stehen. „Unsere Gewerbeflächen sind endlich“, bilanzierte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker, die keinen Zweifel an der Notwendigkeit lässt, neue Flächen schaffen zu müssen. Die Lage ist dramatisch: Wie Ruther-Mehlis darlegte, gibt es momentan nur einen Spielraum von 0,4 Hektar an Gewerbeflächen: „Das ist für die Größenordnung von Kirchheim ausgesprochen wenig.“ Ein Ziel dürfte also darin bestehen, Angebot und Nachfrage nach Gewerbeflächen einigermaßen in Einklang zu bringen bei Schonung natürlicher Ressourcen.

Große Bedeutung haben nicht nur für den Planer die bestehenden Betriebe. Auch den Räten liegt der Aspekt besonders am Herzen, ihnen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. „Kirchheimer Unternehmen brauchen klare Perspektiven“, betonte Wilfried Veeser von der CDU und begründete, wenn sich Firmen hier nicht entwickeln könnten, zögen sie weg. Also sei es an Kirchheim, diese Chance zu nutzen.

Dr. Silvia Oberhauser, Fraktionsvorsitzende der Frauenliste, bezeichnete es als ernüchternd, in welch geringem Maße die Stadt den Bedarf eigener Betriebe decken könne. Darauf müsse nun das Hauptaugenmerk gelegt werden. Sie schlussfolgerte: „Die Strategie ist entscheidend: Was wollen wir wirklich?“ Ralf Gerber von den Freien Wählern warf kritisch ein, er werde alle an ihr Votum für neue Gewerbeflächen dann erinnern, wenn‘s an die konkrete Ausweisung einzelner Areale gehe. „Wir haben ein gutes Standing in der Region“, plauderte SPD-Stadtrat Andreas Kenner aus dem Nähkästchen seiner Firmenbesuche als Landtagsabgeordneter und meinte: „Dieser Erfolg hat Konsequenzen.“

Eine politische Konsequenz besteht nun darin, dass Vertreter des Institut für Stadt- und Regionalentwicklung, des Gemeinderats und der Verwaltung in einem gemeinsamen Workshop eine zukünftige Gewerbestrategie erarbeiten. Das hießen alle im Ratsrund für gut.

Applaus gab‘s für den Hinweis der Oberbürgermeisterin, dass bereits Gespräche mit der Nachbargemeinde Dettingen wegen eines gemeinsamen Gewerbegebiets geführt wurden und nun ein weiteres gemeinsames Gespräch beim Verband Region Stuttgart anberaumt sei. In der nächsten Ratssitzung soll es außerdem um den sogenannten Ott‘schen Platz gehen, der deutlich mehr als einen Hektar umfasst und relativ schnell zu Gewerbebauland werden könnte.

Gründlich unter die Lupe genommen werden sollen generell bestehende Gewerbeflächen, beispielsweise in der Bohnau. Wirtschaftsförderin Saskia Klinger nennt als wichtiges Schlagwort Verdichtung. Auch Produzieren und natürlich Parken auf mehreren Ebenen ist in Gewerbegebieten im Gespräch, und das rundum. Saskia Klinger verweist da­rauf, dass der Schuh in puncto freie Flächen für Betriebe beileibe nicht nur in Kirchheim drückt: Nach Angaben der Region Stuttgart betrug der Bestand an baureif verfügbaren Gewerbeflächen in der gesamten Region im Jahr 2016 nur noch 93 Hektar. Im Jahr 2000 waren es dagegen noch 655 Hektar gewesen, im Jahr 2010 bereits nur noch 283 Hektar.