Kirchheim

Jetzt sind die Haare wieder schön

Neustart Nach zehn Wochen dürfen Friseure ihre Kunden mit Schnitt und Farbe wieder glücklich machen. Tolle Stimmung oder Ruhetag? Eine Momentaufnahme in Kirchheimer Betrieben. Von Sabine Ackermann

Im Salon „Belle Etage“ in der Dettinger Straße waren etliche der insgesamt 16 Plätze besetzt. Der Terminkalender für die kommend
Im Salon „Belle Etage“ in der Dettinger Straße waren etliche der insgesamt 16 Plätze besetzt. Der Terminkalender für die kommenden Wochen ist voll. Foto: Sabine Ackermann
In zahlreichen Kirchheimer Fri-seursalons steppte gestern der Bär. Vor allem viele Stammkunden ergatterten die ersten Termine. F
In zahlreichen Kirchheimer Fri-seursalons steppte gestern der Bär. Vor allem viele Stammkunden ergatterten die ersten Termine. Fotos: Sabine Ackermann

Seit gestern dürfen Friseure wieder die Frage stellen: Waschen, Schneiden, Föhnen? Drei Worte, die bei Alt und Jung beste Stimmung verbreiten. „Ja, schönen guten Morgen“, wird Eleonore Eder herzlich begrüßt und auch die Stammkundin strahlt über beide Backen. „Ich war eine der Letzten im Dezember. Jetzt freue ich mich für Sie.“ Gemeint ist Mirta Maier, die gemeinsam mit ihrem Bruder Gabriel Toppeta das „Friseur- und Haarpflegestudio Toppeta“ betreibt und ihren Beruf seit 29 Jahren nach wie vor liebt. „Die Arbeit hat mir so gefehlt, sowohl psychisch als auch finanziell. Es geht nicht nur um den Haarschnitt, sondern auch darum, sich zu sehen und miteinander zu reden“, verdeutlicht die Geschäftsführerin und ergänzt: „Wir haben Glück, dass wir nur zu zweit sind.“ Einige Meter entfernt lotet ihr Bruder die gewünschte Resthaarlänge von Wolfgang Eberspächer aus. „Wir kennen uns schon lange, da war er noch Lehrling“, erzählt der Senior, der „es um die Ohren wieder frei haben will“. Ganz im Gegensatz zu seiner Frau, die fand nämlich die langen Haare an ihrem Mann gar nicht mal so schlecht, verrät der Stammkunde, während er die Haarwäsche vom Profi genießt.

In zahlreichen Kirchheimer Fri-seursalons steppte gestern der Bär. Vor allem viele Stammkunden ergatterten die ersten Termine. F
In zahlreichen Kirchheimer Fri-seursalons steppte gestern der Bär. Vor allem viele Stammkunden ergatterten die ersten Termine. Fotos: Sabine Ackermann

Selten war die Botschaft eines Ballermann-Schlagers so wahrhaftig und wertvoll wie heute: Du hast die Haare schön. Es ist Montag, eigentlich für Friseure nicht der Tag, an dem die Scheren gewetzt werden. Und tatsächlich - einige der etwa drei Dutzend Geschäfte in der Kirchheimer Kernstadt und den vier dazugehörigen Stadtteilen blieben den Regularien treu. Sie hatten geschlossen.

„Ich gehöre zum Inventar“, scherzt Cornelia Keppler und hat nach 45 Jahren Treue das Prädikat Stammkundin mehr als verdient. Alle vier Wochen kommt sie zum Schneiden und Färben zu „Dorfschmid Hair“ und betont: „Darauf habe ich mich schon gestern gefreut.“ Pony nachschneiden, Spitzen von Spliss befreien und Nacken ausbessern - konzentriert widmet sich Otto Dorfschmid seiner Kundin und versteht es dennoch, ganz multitaskingfähig zu plaudern. „Von etwa 240 000 Friseurkräften wurden bis dato 14 infiziert“, nennt er die offiziellen Daten der Berufsgenossenschaft. Zusätzlich zum Hygienekonzept hat sich der Inhaber einen Luftreiniger angeschafft und hofft, dass es weitergeht. Für seine Mitarbeiterin Stefanie Schank waren die Lockdown-Wochen nicht einfach: „Die Öffnung ist ein Lichtblick.“

Im „Golden Hair“ herrscht richtig gute Laune. Während Inhaberin Nada Hodroj endlich wieder ihre Spezialfarbmischung anrühren kann, betont Neziha Brühöfner: „Sie können ruhig das Weiße fotografieren. Wir leiden.“ Mit „wir“ meint sie ihre Schwester Özlem Coskan. Beide gönnen sich eine Rundumbehandlung und freuen sich, wieder beim ihrer Meinung nach „besten Frauenfriseur Kirchheims“ zu sein. Auch Dominik hat erkannt, dass Selbstschneiden in einer Katastrophe enden kann und ein Dutt für ihn keine Option ist. Also hat er extra dafür Urlaub genommen und lässt sich, wie im Normalfall alle drei Wochen, den Fassonschnitt lieber von Sarah Müller machen. „Wir absolvieren ja nicht umsonst eine dreijährige Ausbildung“, sagt die Topstylis­tin von „Belle Etage“ und konzentriert sich auf den Feinschliff rund ums Ohr. Inhaber Mike Hoffmann hat wie fast alle Kollegen seinen Terminkalender voll. Rund 16 Plätze und zwölf Mitarbeiter bietet der Europameister und Vize-Weltmeister auf zwei Etagen an. „Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir aufmachen durften.“ Was ihn allerdings besonders wütend macht: „Die Politik hat aus dem ersten Lockdown nichts gelernt. Geld ist auch noch keins geflossen.“

Gegen den Strom schwimmt dagegen Elisabeth aus der Dominikanischen Republik. „Ich liebe lange Haare“, sagt sie und genießt die Sonne in Kirchheims Fußgängerzone.

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