Kirchheim

Jung, kein Plan und viele Schulden

Soziales Das Projekt „Benefit“ hilft speziell jungen Menschen, aus finanzieller Not herauszukommen. Von Thomas Zapp

Lena Stumpp berät junge Leute in Kirchheim, ihre Kollegin Sophia Scheyhing in Filderstadt-Bernhausen.Foto: Jean-Luc Jacques
Lena Stumpp berät junge Leute in Kirchheim, ihre Kollegin Sophia Scheyhing in Filderstadt-Bernhausen. Foto: Jean-Luc Jacques

Ein zu spät gekündigter Vertrag im Fitnessstudio, eine hohe Tierarztrechnung für ihre kleine Hündin, die sich beide Vorderläufe gebrochen hatte, ein paar Stromrechnungen und eine nicht bezahlte Rechnung für eine Lieferung: So kam Aylin (Name geändert) ziemlich schnell auf fast 5000 Euro Schulden. Die heute 22-Jährige lebte seit ihrem 17. Lebensjahr allein, ihr Vater hatte ebenfalls Geldprobleme. Ein weiteres Problem war, dass sie nach zwei Jahren ihren Job als Verkäuferin geschmissen hatte. „Ich ließ mich gehen, machte nichts mehr“, erzählt sie. Die Miete für ihre Kirchheimer Wohnung musste weiter bezahlt werden, aber das Geld vom Amt kam nicht, weil Anträge nicht vollständig ausgefüllt waren.

Die Lage war kritisch, aber ihr Glück war, dass Bekannte ihr „Benefit“ empfahlen, die Schuldnerberatung für Jugendliche und junge Erwachsene im Kreisdiakonieverband. In Kirchheim ist Lena Stumpp die Ansprechpartnerin. „Junge Menschen brauchen schnelle Hilfe, dann, wenn es akut ist“, sagt sie. Oft scheitert es wegen mangelnder Erfahrung oder Angst schon an einfachen Dingen wie Kommunikation. Deshalb gebe es keine Anmeldeformulare und Wartezeiten von mehr als einem Jahr wie bei der „normalen“ Schuldnerberatung. Als Erstes versucht sie, mit den Gläubigern Kontakt aufzunehmen. „Wenn da jemand von der Diakonie am Telefon ist, hilft das schon weiter“, weiß Lena Stumpp, dass es junge Leute in puncto Glaubwürdigkeit nicht immer leicht haben.

Was an „Benefit“ sonst noch besonders ist: Die Mitarbeiter sind jung, Lena Stumpp beispielsweise ist erst 28 Jahre alt, also gerade einmal sechs Jahre älter als Aylin. In der Regel sind ihre „Klienten“ zwischen 20 und 24 Jahre alt. Die sind besonders anfällig fürs Schuldenmachen: Ab 18 genießen viele junge Erwachsene ihre neu gewonnene Freiheit, schließen oftmals blauäugig Verträge ab. Wenn dann niemand von Zuhause einspringen kann, falls finanzielle Probleme auftreten, kann es brenzlig werden. Aber da ist auch die Scham, sich Erwachsenen anzuvertrauen. „Uns war wichtig, dass die Beraterinnen auch altersmäßig auf Augenhöhe mit ihren Gesprächspartnern sind, viele machen sonst zu“, sagt Andrea Wohlfahrt, die den Fachbereich Schuldnerberatung im Kreisdiakonieverband leitet. Außerdem haben die „Benefit“-Beraterinnen ein Handy, können problemlos und unbürokratisch erreicht werden, wenn Termine verschoben werden oder kurzfristig Probleme auftauchen. „Ich schreibe ihr immer per SMS“, sagt Aylin.

Lena Stumpp sieht ihre Beratung auch als psychologische Arbeit. „Es geht darum, den Jugendlichen die Schuldenlast zu nehmen. Oftmals öffnen sie vor Angst keine Briefe mehr, weil dort Mahnungen drin sein könnten, die sie eh nicht bezahlen können. Dadurch verschlimmert sich natürlich alles“, sagt sie.

Das Projekt ist aus Eigenmitteln und mit Geldern des Deutschen Hilfswerks zustande gekommen und zunächst auf drei Jahre befristet. Ende 2021 läuft es aus. Was dann kommt, weiß noch niemand. Andrea Wohlfahrt hofft, dass die Stellen beibehalten werden. Die Beratung der jungen Leute helfe, Schuldenanhäufungen zu vermeiden. „Es ist wichtig, frühzeitig einzugreifen. Das ist billiger, als wenn man zu lange wartet“, sagt sie. Wichtig ist ihr die Prävention. Man habe ein Netzwerk aufgebaut mit Schulsozialarbeitern, einer monatlichen Sprechstunde bei Bildungsträgern wie dem CJD Kirchheim und Kontakten zu Jugendbüros und Sozialarbeitern.

Aylin hat die Diakonie jedenfalls die Chance auf ein schuldenfreies Leben ermöglicht. Mit einem Vorschuss konnte verhindert werden, dass der Strom abgeschaltet wird. Die Unterlagen für das Jobcenter wurden vervollständigt, und mit den Gläubigern vereinbarte Lena Stumpp eine Stundung. Ab September beginnt Aylin eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und kann ihre Schulden dann abbezahlen, auch den Vorschuss der Diakonie.

Sie selbst sieht sich nun auch gefestigter. „Ich würde nicht mehr gleich alles hinschmeißen, wenn es mal nicht so läuft“, sagt sie rückblickend auf ihre Kündigung des Jobs. Haushaltsführung und Finanzplanung hat sie nun ebenfalls besser im Griff. Und wenn es ein Problem gibt, kann sie sich jederzeit an Lena wenden.

Wer Hilfe braucht und bis 25 Jahre alt ist, kann unter folgender E-Mail Kontakt aufnehmen: l.stumpp@kdv-es.de