Die Schere klafft weiter auseinander: Die Zahl der jungen Menschen, die sich für eine Ausbildung bewerben, geht zurück; im Gegenzug steigt die Zahl der offenen Ausbildungsstellen. Dies wurde gestern bei einer Pressekonferenz zum Ausbildungsmarkt 2018/19 in der Agentur für Arbeit Göppingen deutlich, die für die Landkreise Göppingen und Esslingen zuständig ist.
Dieser Trend hatte sich schon länger im Agenturbezirk gezeigt - nun hat er sich nochmals verstärkt, informierte Leiterin Thekla Schlör. „Der Ausbildungsmarkt hat sich weiter zum Bewerbermarkt entwickelt. Das bedeutet, dass Ausbildungssuchende auch in diesem Jahr die Nase vorn hatten und bei der Wahl ihres Berufswegs wählerisch sein konnten“, ergänzte sie. So gab es zum Stichtag 30. September 2019 im gesamten Agenturbezirk 1200 Stellen mehr als Bewerber. Für die Betriebe sei diese Situation eine große Herausforderung, betonte Thekla Schlör. Um Fachkräfte selbst auszubilden, „müssen sie sich als ausbildendes Unternehmen attraktiv machen, eine hochwertige Ausbildung anbieten und kreativ die Werbetrommel rühren“. Dabei seien die Unternehmen gut beraten, nicht nur auf „die besten Köpfe“ zu setzen, sondern auch auf die jungen Leute, die „ihr Potenzial erst auf den zweiten Blick erkennen lassen“. Es lohne sich auch der Blick auf Bewerber, die das klassische Ausbildungsalter überschritten haben, jetzt aber neu durchstarten wollen.
Doch obwohl die Chancen für junge Leute aktuell überaus gut sind, wird „der Berufs- und Studienwahlprozess immer schwieriger“, ergänzte Christine Oesterreicher, Berufsberaterin der Agentur für Arbeit. Sie müssen sich in einem „Berufs-Dschungel“ zurechtfinden; „die Findungsphase dauert länger“. Genau hier kommen die Berufsberater ins Spiel: Sie begleiten junge Leute, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, geben ihnen Orientierung, vermitteln und fördern sie. „Wir sehen uns als Partner der Jugendlichen und der Schulen, wollen Ängste nehmen und Ausbildungsabbrüche vermeiden“, ergänzte die Berufsberaterin, die an drei Gymnasien in Göppingen und Eislingen Schüler berät. Wichtig sei, früher als bisher anzusetzen - zum Beispiel an Realschulen bereits ab der achten und an Gymnasien ab der neunten Klasse. An Gymnasien informiere man nicht nur über Studiengänge, sondern bewusst auch über Ausbildungsberufe. Denn nicht für jeden Gymnasiasten sei ein Studium der richtige Weg, ergänzte Kati Schwenck, Teamleiterin der Berufsberatung. Sie wirbt für die „Karriere mit Lehre“.
Die Berufsberatung der Agentur soll zur „lebensbegleitenden Berufsberatung“ erweitert werden, wie Thekla Schlör und Kati Schwenck verdeutlichten. Denn vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels, aber auch des strukturellen Wandels „in Richtung Digitalisierung und Service, weg von der reinen Produktion“ komme der neutralen Berufsberatung eine immer größere Bedeutung zu, ergänzte Kati Schwenck. „Unser Arbeitsmarkt wird immer flexibler. Es gibt mobiles Arbeiten und Online-Arbeitsplätze.“ Darüber hinaus dauerten viele Arbeitsverhältnisse nicht mehr über mehrere Jahrzehnte. „Wir müssen auch für diejenigen Angebote schaffen, die mit dieser Schnelligkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht zurechtkommen.“