Kirchheim

Kampf den Einwegbechern

Umweltschutz Kirchheim plant, sich dem Stuttgarter Pfandsystem anzuschließen. Das ist derzeit allerdings noch in der Ausarbeitungsphase. Von Bianca Lütz-Holoch

Immer wieder bleiben Einwegbecher irgendwo auf Treppen oder Mauern stehen und müssen von der Stadt beseitigt werden.Foto: Carste
Immer wieder bleiben Einwegbecher irgendwo auf Treppen oder Mauern stehen und müssen von der Stadt beseitigt werden.Foto: Carsten Riedl

Wenn es gut läuft, wandern sie nach einmaligem Gebrauch in die Tonne. Wenn nicht, bleiben sie einfach auf einem überquellenden Mülleimer, einer Mauer oder Treppe stehen, landen im Gebüsch oder auf der Straße: Einweg-Plastikbecher sind in den vergangenen Jahren zu einem immer größeren Problem geworden - für die Umwelt, aber auch für die Städte, deren Mitarbeiter sie beseitigen müssen.

„So geht das nicht weiter“, haben sich deshalb Eve und Bernd Sigel von der Weilheimer Bio-Bäckerei Scholderbeck gesagt und in den Filialen ihres Betriebs ein Umweltkampagne gestartet. „Wer bei uns seinen eigenen Becher mitbringt, bekommt den Kaffee günstiger“, sagt Eve Sigel. Der Durchbruch ist allerdings ausgeblieben: Zu viele Kunden denken einfach nicht daran, ihren Becher mitzubringen, oder haben ihn nach dem letzten Gebrauch nicht gespült. Viele holen sich auch mal bei einer anderen Bäckerei oder an der Tankstelle ein Heißgetränk. Eve Sigels Fazit nach dem Probelauf im eigenen Haus: „Sinn macht nur ein möglichst flächendeckendes Pfandsystem.“ Mit der Idee, zumindest in Kirchheim ein einheitliches Konzept für Mehrwegbecher einzuführen, wandte sie sich an die Stadtverwaltung. „Als Nachhaltigkeitsstadt würde es sich doch anbieten, auf diesem Gebiet aktiv zu werden“, sagt Eve Sigel.

Einen eigenen Mehrwegbecher hat Kirchheim schon - blau, aus Bambus und zum Beispiel bei der Kirchheim-Info und in Haushaltswarenläden erhältlich. Von einem Pfandsystem, so die Info aus dem Rathaus, habe die Stadt bei dessen Einführung aber bewusst abgesehen: Zu teuer und zu kompliziert wäre das Ganze geworden, heißt es.

Den Impuls von Eve Sigel hat man sich im Rathaus der Teckstadt nun aber zu Herzen genommen. „Wir finden es grundsätzlich eine gute Idee, ein Pfandsystem einzuführen“, betont Dennis Koep, Pressesprecher der Stadt Kirchheim. Aus Sicht der Verwaltung greift aber selbst eine Lösung, die ganz Kirchheim umfasst, noch zu kurz. „Wenn Pendler mit der S-Bahn von Kirchheim nach Stuttgart fahren, wollen sie ihren Becher ja auch zumindest am Bahnhof des Zielorts abgeben können“, sagt er. „Idealerweise sollte dort also das gleiche Pfandsystem gelten wie bei uns.“

Trittbrettfahrer erwünscht

Also nahm die Stadt Kirchheim Kontakt zur Landeshauptstadt auf - und stieß dort auf offene Ohren. Zwar hat Stuttgart noch kein Becherpfand eingeführt. Die Verwaltung arbeitet aber mit Hochdruck an einer umfassenden Lösung. Läuft alles nach Plan, wird das System noch vor den Sommerferien eingeführt. „Entscheidend ist allerdings, dass wir einen geeigneten Anbieter finden“, sagt Torsten von Appen, bei der Stadt Stuttgart für die Einführung des Mehrwegbechersystems zuständig. Nur wenn sich im Rahmen des aktuellen Wettbewerbs ein Dienstleister findet, wird auch die Summe ausgeschüttet, die die Landeshauptstadt als Anschubfinanzierung für eine zweijährige Startphase zur Verfügung stellt. 600 000 Euro will sie sich den Aufbau eines Mehrwegsystems kosten lassen.

Dass eine Stadt wie Kirchheim sozusagen als Trittbrettfahrer auf den Zug aufspringt, ist in Stuttgart ausdrücklich erwünscht. „Unser Konzept besagt, dass die Region angegliedert werden soll“, betont Torsten von Appen. Bleibt nur noch die Frage, wann es so weit ist.

Stuttgart holt Bäckereien, Ketten und Mensen ins Boot

Die Landeshauptstadt legt bei der Einführung ihres Pfandbechersystems Wert darauf, dass diejenigen, die es verwenden, ein Wörtchen mitreden dürfen. „Wir haben uns mit allen Bäckereifamilien zusammengesetzt und gefragt, was sie brauchen“, sagt Torsten von Appen von der Abteilung Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart.

Über eine Fachjury eingebunden sind in die Entscheidung über das wirtschaftlichste und beste Konzept aber nicht nur die Stadt und die Bäckereien. Auch Ketten wie Mc Donald‘s und Yorma‘s, das Fraunhofer Institut, die Stuttgarter Hochschulen und die Deutsche Bahn sind in dem Gremium vertreten.

Geplant ist ein nachhaltiges Kreislaufmodell mit großem Teilnehmerpool. Cafés, Bäckereien und Mensen erhalten mehrfach verwendbare Becher und geben sie gegen Pfand an die Kunden aus. Diese können die Becher dann bei allen Teilnehmern und an Pfandautomaten zurückgeben. Gespült und wieder verteilt werden die Becher vom Dienstleister.

Studenten der dualen Hochschule Stuttgart haben in einer Studie untersucht, wo welche Mengen an Coffee-to-Go-Bechern gebraucht werden. Eines der Ergebnisse: Hauptnutzer sind die Studenten. „Das Studierendenwerk Stuttgart kauft jedes Jahr eine Million Einwegbecher ein“, so von Appen.

Wer Dienstleister in Stuttgart wird, entscheidet ein europaweiter Wettbewerb. Die Bewerbungsfrist ist vergangene Woche zu Ende gegangen. Ist ein geeigneter Anbieter dabei, soll er Anfang Mai den Zuschlag bekommen. Geplant ist, die Mehrwegbecher bis zum Sommer einzuführen.

Pfandbechersysteme gibt es in zahlreichen deutschen Städten. Esslingen etwa hat den „Esslinger Stadtbecher“ eingeführt. Teilnehmende Betriebe geben die Becher gegen zwei Euro Pfand aus, nehmen sie auch zurück und spülen sie. In Freiburg lancierte der Abfallwirtschaftsbetrieb zusammen mit Café-Betreibern den „FreiburgCup“. München, Rosenheim und Hamburg arbeiten mit dem Unternehmen „ReCup“ zusammen, das mit Cafés in vielen deutschen Städten kooperiert. In Göttingen gibt es das Unternehmen „FairCup“, das 2016 als Schülerprojekt startete.bil