Kirchheim

Kampf und Krampf beim Radeln

Radnetz Unterwegs mit zwei Radlern: Uwe Köber und Norbert Dietz wissen aus eigener Erfahrung, wo es für Radfahrer in und um Kirchheim klemmt. Von Peter Dietrich

Manchmal eine verkehrte Welt: Wenn Autos die Radwege versperren, müssen die Radler zwangsläufig auf die Straße ausweichen.Foto:
Manchmal eine verkehrte Welt: Wenn Autos die Radwege versperren, müssen die Radler zwangsläufig auf die Straße ausweichen.Foto: Carsten Riedl

Kreuz und quer durch Kirchheim und bis nach Dettingen geht es mit dem Fahrrad. „Wir sind nicht der Maßstab“, betont Uwe Köber, bevor es mit ihm und Norbert Dietz losgeht. Die beiden Alltagsradler wissen, dass andere Radfahrer weniger Routine haben, dass Senioren oder Schulkinder mit gefährlichen Situationen schlechter zurechtkommen. Dass Öffentlichkeit etwas bewirkt, hat Norbert Dietz erlebt, als er in einem Leserbrief im Teckboten den Dreck auf einem Radweg beklagte: „Ich weiß ja nicht, ob es direkt am Leserbrief lag, aber dieser Weg ist nun wie geschleckt.“ Für den Teckboten haben beide ein paar neuralgische Punkte ausgewählt.

Vom Start am Wasserturm zwischen Kirchheim und Notzingen geht es in rasanter Abfahrt hinunter bis zur Kreuzung am Haarletweg. Dort müssen Radfahrer bergauf die Straßenseite wechseln. Der hohe Bordstein erschwert das, manche Radler vollführen am Anfang des Haarletwegs eine Wende. Die Notzinger Steige ist sehr breit, die Autos sind schnell, eine gefährliche Situation, trotz einer Verkehrsinsel. Nach einer weiteren Abfahrt auf dem Radweg folgen ein anhängerunfreundliches Drängelgitter und eine Druckampel an der L 1200. „Warum müssen immer die Radfahrer warten?“, fragt Uwe Köber. Eine Induktionsschleife im Radweg, mit der schon vorab Grün angefordert wird? Das wäre Radlers Traum.

Über die Herdfeldstraße kommt das Team zum Alleenring. Wieder so eine lästige Bordsteinkante, wenn Radler in die Herdfeldstraße einbiegen. Die Querung des Alleenrings in anderer Richtung hin zur Fußgängerzone führt über die Fußgängerampel und schiebend auf dem Gehweg. Die beiden drehen jedoch lieber einmal die Runde über den Alleenring. Es gibt ein wenig Radweg, aber wo es kritisch wird, hört dieser auf. „Was macht die Mama mit Anhänger jetzt?“, fragt Norbert Dietz, als der Radweg an der Ampel an der Max-Eyth-Straße endet. Zum Alleenring fehlten Alternativen, die Fußgängerzone sei nur abends und im Schritttempo zugelassen. Radhinweisschilder zu verschiedenen Orten weisen in die Dettinger Straße, zugleich gelte dort Schritttempo, das sei ein Widerspruch. Am Schweinemarkt gibt es wieder so eine Stelle, wo der Radweg endet, die Schleife über die Turmstraße ist ein lästiger Umweg.

Der enge Durchlass am Ende der Bismarckstraße, zwischen zwei Autos, betrifft die Hauptroute zum Freibad. Dort haben sich an der Ampel auf beiden Seiten schon viele Radler angesammelt, so lange dauert es. Ein erneuter Test mit der Stoppuhr, dieses Mal wird es schon nach wenigen Sekunden Grün. Ist die Ampel etwa launisch? Es geht weiter zum Bohnauhaus, im Wohngebiet ist laufend fast die halbe Straßenbreite durch parkende Autos belegt. Draußen in Jesingen ist der für Radler freigegebene Fußweg entlang der Hauptstraße in Richtung Zentrum wegen der vielen Einfahrten kaum sicher zu befahren. Am Sportplatz fehlt plötzlich das „Radfahrer-frei-Schild“, die Manschette zur Befestigung ist aber merkwürdigerweise noch da. Hat da einer das Schild geklaut, und es hat noch keiner bemerkt?

Die Alltagsradler treffen immer wieder auf Schikanen und schwierig zu befahrende Passagen in Kirchheim.Foto: Peter Dietrich
Die Alltagsradler treffen immer wieder auf Schikanen und schwierig zu befahrende Passagen in Kirchheim.Foto: Peter Dietrich

Der schöne Weg, der durch die Felder nach Dettingen führt, die Burg Teck voraus, ist ein Geheimtipp. Die Idylle endet jäh an der B 465: Hier müssen die Radler über eine Fußgängerampel und landen dadurch auf dem Gehweg auf der falschen Seite. Der benutzungspflichtige Radweg entlang der Kirchheimer Straße ist jetzt am Abend brauchbar. Die beiden Radler wissen aber, dass das während des Tages durch die vielen Einfahrten ganz anders aussieht. „Ich fahre hier lieber auf der Straße“, sagt Uwe Köber. Radlern stadteinwärts, die aus der Kelterstraße kommen, fehle eine Querung über die Dettinger Straße. „Viele fahren auf der falschen Seite weiter“, sagt Norbert Dietz.

Den Weg entlang der Bahnlinie in Richtung Bahnhof finden beide gut. Nach der Bahnhofsunterführung tragen sie die Räder die Treppe hoch, warten dann lange an den Ampeln. Vom Möbel König aus fahren sie die Stuttgarter Straße entlang Richtung Teckcenter. Die Entscheidung der Stadt, die Radler beim Umbau der Stuttgarter Straße vom unsicheren, freigegebenen Gehweg auf die Straße zu holen, finden beide richtig.

Ihre gemeinsame Tour endet an der großen Kreuzung am Nanz-Center, erneut ein sehr radunfreundlicher Ort. Es gibt noch viel zu tun.

Was sich zwei Alltagsradler wünschen

Radnetz statt Flickwerk: „Steckt da eigentlich eine Netzplanung dahinter?“, hat sich Uwe Köber während der Rundfahrt mehrmals gefragt. Stückweise gebe es Radwege und -spuren, aber dann hörten diese plötzlich wieder auf.

Direkte Verbindungen: Im Zickzack durch Wohngebiete geleitet zu werden, um ein kurzes Stück Hauptstraße zu vermeiden, finden die beiden Radler nicht attraktiv. Ihre These: Der umweltfreundlichste Verkehrsteilnehmer sollte den direktesten Weg bekommen.

Mehr Platz für Radler: Wo es wegen Platzmangel nicht anders zu machen sei, müsse ein Ausbau des Radnetzes eben auf Kosten des Autoverkehrs gehen. Beide wünschen sich Aufstellflächen für Radler an den Ampeln, denn das bringe die Radler auch optisch ins Bewusstsein.

Mehr Vorfahrt: Uwe Köber ist selbst viel mit dem Auto unterwegs, kennt also die andere Perspektive, fände es an vielen Stellen aber gut, wenn die Autos auf die Radler warten. „Wir müssen das Ganze völlig neu denken.“

Keine Angst vor Widerständen: Uwe Köber weiß noch, wie vehement die Kirchheimer Fußgängerzone bekämpft wurde. Später seien die Händler froh über sie gewesen.pd