Renata Alt strahlt nicht nur, sie strahlt auch Zuversicht aus: „Aktuell wäre ich drin“, freut sie sich über die Prognosen für die FDP zur Bundestagswahl und setzt noch eins drauf: „Vier Abgeordnete in Berlin, das wäre doch ein tolles Renommee für den Wahlkreis.“ Kein Zweifel: Das Ticket in die Bundeshauptstadt dürfte drin sein bei Platz sieben auf der Landesliste. - Ein Platz, der an der Basis der Partei durchaus hart erarbeitet ist, wie die Kirchheimer Stadträtin betont. Von wegen Frauenquote! „Ich bin selbst gegen so eine Quote, denn ich sehe, dass ich mit Wissen und Leistung überzeugen kann.“ Aus ihrer Diplomatenrolle hat sie unter anderem das sprichwörtliche diplomatische Geschick mitgenommen. Vor Ort punktet sie möglicherweise mehr mit dem Wissen um die Nöte des Handwerks vor Ort. - Schließlich ist Renata Alt mit einem Friseurmeister verheiratet und hat so auch privat das Ohr am Bürger. Jetzt will sie ihr Wissen über Wirtschaft und Europapolitik auch im Bundestag sinnvoll einsetzen. Ob das in der Regierungsverantwortung geschieht, scheint für sie zweitrangig. Schwarz-gelb wird bekanntlich nicht als allzu realistische Perspektive gehandelt, doch für die FDP könnte rechnerisch auch die Jamaica-Koalition interessant sein.
Quelle: Carsten Riedl
Am Wochenende ist Renata Alt beim Bundesparteitag, bei dem die Liberalen zehn Punkte verabschieden wollen, die die Grundlage für etwaige Sondierungsgespräche darstellen sollen. „Ich gehe lieber in die Opposition, als zu viele Kompromisse in Kauf zu nehmen“, erklärt die hiesige Kandidatin kategorisch. Für sie, die 1965 in der Slowakei zur Welt kam, hat Freiheit, speziell Meinungsfreiheit, einen ganz besonderen Stellenwert. Die Chemieingenieurin, die als Diplomatin in der Ära von Außenminister Klaus Kinkel nach Deutschland kam, ist ein großer Fan von Hans-Dietrich Genscher und seiner Diplomatie, die niemanden ausschloss. „Wir müssen gerade jetzt unbedingt sowohl mit den USA als auch mit Russland im Dialog bleiben“, warnt sie davor, die Spirale der Aufrüstung weiterzutreiben und setzt auf Gespräche.
Als Liberale sind Renata Alt Vorschriften und Reglementierungen ein Gräuel. So lobt sie das deutsche Gesundheitswesen in den höchsten Tönen und wehrt sich dagegen, sein Fundament aus den zwei Säulen der privaten und der gesetzlichen Kassen in Gefahr zu bringen. „Was soll hier eine Bürgerversicherung?“, fragt sie und preist an diesem System die Tatsache, dass sich eine Seite auf die andere stützt und auch für Wettbewerb Platz ist.
Vehement lehnt sie das Fahrverbot ab, das in vielen Städten droht, auch in Stuttgart. „Klares Nein“ lautet dazu ihr Kommentar. Was dringend gefördert werden müsse in Firmen und Universitäten, sei die Forschung: „Ich bin mir sicher, dass gerade in Baden-Württemberg neue Antriebsmöglichkeiten entwickelt werden können - auch ohne Schummelsoftware“, betont die Chemieingenieurin und will auch nicht ganz auf E-Mobilität mit allen Nachteilen der Akkuproduktion setzen. Natürlich müsse auch der ÖPNV gefördert werden: Busse auf dem Land und selbst die S-Bahn nach Stuttgart fahren für sie zu selten, das Ticketsystem ist kompliziert und schlichtweg zu teuer.
Woher der Geldsegen für all die sinnvollen Maßnahmen kommen soll, diese Frage beantwortet Renata Alt indirekt mit einem klaren Bekenntnis zur Wirtschaftsförderung. Diese schlägt sich auch in dem Wunsch nach dringender Ausweisung neuer Gewerbegebiete und Wohngebiete nieder. Das Problem des Flächenmangels kennt die Kirchheimerin aus ihrem eigenen Wahlkreis nur zu gut. „Die Landesbauordnung muss entschärft werden, um mehr Bauvorhaben zu ermöglichen“, lautet ein Lösungsvorschlag. Gleichzeitig ist das Ziel ihrer Partei, Bauen billiger zu machen, etwa durch einen Freibetrag bis zu einer Summe von 500 000 Euro für eigengenutzte Immobilien. Und was ist mit dem Leerstand, der Kirchheim und auch andere Städte prägt? „Enteignungen wird es mit mir nicht geben!“, braust Renata Alt auf und führt eine persönliche Erfahrung an: „Meine eigene Familie wurde im Jahr 1954 in der Slowakei enteignet.“
Um jedem Menschen ganz individuell zu begegnen, ist sie für einen flexiblen Renteneintritt. Je nachdem, ob der Einzelne hart gearbeitet habe oder gar die Vereinsamung zu Hause fürchte, müsse Spielraum geschaffen werden, etwa ab 60 in Rente gehen zu dürfen - natürlich nicht generell. Auch bis zum Alter von 70 Jahren zu arbeiten, das will sie niemandem verbieten. Damit befindet sie sich in einem gewissen Gegensatz zu Kanzlerin Merkel, die die Rente mit 70 im Fernsehduell weit von sich gewiesen hatte. Doch nicht nur hier zeigt sich trotz der gemeinsamen diplomatischen Ader die Distanz zwischen der Liberalen und der Christdemokratin: „Dieses Zögerliche und Zaghafte an ihr, das hat mir nie gefallen“, wünscht sich Renata Alt deutlichere politische Akzente. Das Zaudern habe schon viele Chancen verspielt, zum Beispiel die auf eine dringend notwendige EU-Reform: „Die EU ist zu einer ‚lahmen Ente‘ geworden, davor hat schon Helmut Schmidt gewarnt“, bedauert die überzeugte Europäerin.