Kirchheim

Kommentar: Kämpfen statt kuscheln

Was für eine Idee: Die Kirchheimer Ortsverbände der im Landtag vertretenen Parteien von Bündnis 90/Grüne, CDU, SPD und FDP laden auf dem „Platz der kleinen Freiheit“ gemeinsam zum „Europafest“ ein. Der musikalische Lokalmatador Werner Dannemann verleiht der Fete Konzertstatus. Vielleicht schenkt der örtliche Stiftsscheuerwirt, der für die Grünen kandidiert, auch dem einen oder anderen Schwarzen, Roten oder Gelben ein Freibier aus. Im Herzen Kirchheims steigt ein großes Harmoniefest aller Demokraten am Abend vor der Europawahl. Wie schön, denn für Europa sind alle, und alle haben sich lieb.

Doch die Sache hat einen Schönheitsfehler. Was Bürger laut Umfragen vermissen, sind gerade die klaren Unterschiede zwischen den etablierten Parteien. „Sind doch eh alle eins“ ist ein Satz, den man immer wieder hört. Am Sonntag bei Anne Will hat Katarina Barley, Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl, eindringlich davor gewarnt, den Eindruck entstehen zu lassen, die etablierten Parteien seien alle gleich, nur die auf der anderen, der rechten Seite, sei anders. Genau diesen Eindruck verstärkt solch ein gemeinsamen Europafest, selbst wenn die Idee ein Bekenntnis „für eine starke, einige und demokratische EU“ ist.

Am Tag nach dem Fest wird aber nicht nur Europa gewählt, sondern auch der Kreistag, die Kommunalparlamente und die Region. An den politischen Rändern lauern jene, die die Politik beeinflussen wollen, in der Region Stuttgart vor allem von rechts außen. Sie rühmen sich als echte politische Alternativen zu den etablierten Parteien. Die machen es ihnen allzu leicht, wenn sie sich als feierfröhliche Einheitsmasse darstellen. Probleme dieser Größenordnung lassen sich nicht einfach wegfeiern.

Überhaupt: Warum müssen ausgerechnet Parteien als gemeinsame Veranstalter auftreten? So etwas tun sie doch sonst auch nicht - Eventmanagement ist sicher nicht ihre vordringlichste Aufgabe. Lasst doch das Fest die Wirte um den Platz und den Musiker ausrichten. Zum Bierchen treffen dürfen sich die Politiker dort privat trotzdem gern. Ansonsten aber ist es ihre Aufgabe, den Wählern klarzumachen, warum sie Grüne, CDU, SPD oder FDP wählen sollen. Bis zur Wahl gilt es jede Sekunde zu nutzen, um klares Profil zu zeigen. Statt Kuscheln ist Streitkultur gefragt. Schließlich heißt es ja auch Wahl-„Kampf“. Irene Strifler