Kirchheim

Mehr Genießen, weniger Feiern

Genuss Statt des Weindorfs auf dem Rollschuhplatz veranstalten Michael Holz und Robert Ruthenberg vom 6. bis 23. August das erste Kirchheimer Weindörfle. Von Andreas Volz

Beim ersten Kirchheimer Weindörfle sollen die Besucher ab Donnerstag ihr Viertele mit Abstand genießen. Archiv-Foto: Thomas Kalt
Beim ersten Kirchheimer Weindörfle sollen die Besucher ab Donnerstag ihr Viertele mit Abstand genießen. Archiv-Foto: Thomas Kaltenecker

In Corona-Zeiten fällt alles zwangsläufig ein wenig kleiner aus. Da ist es nur gut, dass zur schwäbischen Sprachtugend seit jeher der Hang zum Diminutiv gehört, zur Verkleinerungsform: So beginnt am Donnerstag also nicht das 32. Kirchheimer Weindorf auf dem Rollschuhplatz, sondern stattdessen als abgespeckte Version das erste Kirchheimer Weindörfle.

Orte des Geschehens sind die Dreikönig- und die Metzgerstraße sowie der Marktplatz. Das Weindörfle besteht also aus zwei gleichberechtigten Ortsteilen. Vorgegeben sind diese beiden Epizentren der Kirchheimer Vinologie durch die beiden Wirte, die auch im Corona-Sommer an der Weindorf-Idee festhalten wollen: Michael Holz vom 3K und Robert Ruthenberg vom Stadthotel Waldhorn. „Wir arbeiten schon so lange beim Weindorf zusammen, dass es jetzt schade wäre, wenn wir komplett unterbrechen müssten“, sagt Robert Ruthenberg.

Das eigentliche Weindorf ist längst schon abgesagt. Unvorstellbar ist aus heutiger Sicht, dass es jemals möglich war, jeden Abend weit über tausend Menschen auf dem Rollschuhplatz zu versammeln. Michael Holz erklärt den Unterschied zwischen Weindorf und Weindörfle: „Wenn im Weindorf vier Leute an einem Tisch saßen, haben wir noch mal vier dazugesetzt. Das geht jetzt so nicht. Auch Stehtische sind tabu.“ Ähnlich sieht es mit der Musik aus: „Zur Atmosphäre gehört Live-Musik. Aber auch die muss jetzt Abstand halten.“ Dass die Musiker also von Tisch zu Tisch ziehen, wie man es vom Wiener Heurigen kennt, geht im Kirchheimer Weindörfle nicht. Deswegen fallen auch die Inbegriffe von Gemütlichkeit und Wein­seligkeit weg: das Mitsingen und das Mitschunkeln.

Musik sorgt dezent für Stimmung

Trotzdem soll Musik für die richtige Stimmung sorgen. Michael Holz kombiniert das auch mit seiner Weinauswahl: Zum Tango-Abend gibt es argentinische Weine, und zum österreichischen Abend mit edlen Tropfen aus Austrias Gemarkungen hat er Musiker aus Innsbruck engagiert. Bei den Weinen musste Michael Holz mit seinem Team eine schmerzliche Auswahl treffen: „Beim Weindorf haben wir 70 verschiedene Weine, beim Weindörfle müssen wir uns mit der Hälfte begnügen.“ Ein Kühlwagen würde die Zahl der Sitzplätze im Freien reduzieren.

Anders sieht es bei Robert Ruthenberg aus: „Wir fahren mit den Weinen volles Programm - vielleicht sogar noch mehr als sonst auf dem Weindorf, weil wir den Keller gleich hier haben.“ Mit der Auswahl an Weinen will er aber keineswegs zum hemmungslosen Genuss auffordern, schon gar nicht in Corona-Zeiten. Deshalb hat er auch als Motto fürs Weindörfle ausgegeben: „Mehr Genießen, weniger Feiern.“ Und für den Genuss stellt er in den zweieinhalb Dörfles-Wochen dermaßen den Wein in den Mittelpunkt, dass er in dieser Zeit überhaupt kein Bier ausschenken möchte.

Nur eines vergällt dem Wirt der Waldhorn-Laube ein wenig seinen eigenen Genuss: „Es ist schade, dass uns die Stadt nicht erlaubt hat, einen Pavillon auf dem Marktplatz aufzustellen. Dabei wäre der Blumenhändler sogar einverstanden gewesen. Für seine Pflanzen wäre der Schatten ein Vorteil gewesen.“ So setzt Robert Ruthenberg nun auf eine Lösung mit Schirmen und zeigt sich insgesamt versöhnlich: „Trotzdem sind wir der Stadt dankbar, dass wir die Fläche überhaupt gekriegt haben.“

Die Zahl der Sitzplätze ist - gegenüber der Situation auf dem Rollschuhplatz - an beiden Standorten stark verringert. Das ist aber der Corona-Pandemie geschuldet und sollte ganz strikt so eingehalten werden, auch aus Eigeninteresse der beiden Wirte. Nichts wäre schlechter fürs Weindörfle und für Kirchheim als eine Verquickung mit einer zweiten Welle oder gar ein weiterer Lockdown. Auch deshalb steht der Genuss weit über dem Feiern. Der Idealtypus des Weindörfle-Besuchers könnte also im Wienerlied vorgegeben sein: Es wäre der „stille Zecher“, wenn er denn wirklich keinen Radau macht, nicht gleich alle abbusselt und sich im kleinen Kreis damit zufriedengibt, andächtig sein Viertele zu schlotzen.