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Mit Hopfengärresten die Wohnung einrichten

Innovation Denkendorfer Forscher haben eine Methode entwickelt, wie sich aus dem Abfallprodukt einer Biogasanlage ein vielseitig verwertbarer Faserverbundstoff herstellen lässt. Von Harald Flößer

Massen von pflanzenhaltigen Gärresten fallen jedes Jahr in Biogasanlagen an. Allein im niederbayerischen Wolnzach, dem Zentrum der Hallertau, die als größtes Hopfenanbaugebiet Deutschlands gilt, sind es 50 000 Tonnen. Der Großteil davon wird entsorgt, obwohl es sich um wertvollen biologischen Rohstoff handelt. Angestoßen durch die dort ansässige Firma Hopfenpower haben die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung in Denkendorf (DITF) nun eine Methode entwickelt, wie sich aus den Gärresten ein vielseitig verwertbarer Faserverbundstoff herstellen lässt. Beispielsweise für die Produktion von Möbelstücken.

Ein Modell hat Professor Markus Milwich, stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums Polymere und Faserverbunde, auf seinem Schreibtisch stehen. Der promovierte Diplom-Ingenieur ist Feuer und Flamme für die innovative Entwicklung. „Das Thema Faserverbundstoffe dümpelt seit 30 Jahren vor sich hin“, sagt der Wissenschaftler. „Das Problem war immer die Matrix.“ Er meint damit den Kleber, der die Biomasse zu einem festen Verbundstoff macht. Aus der Masse haben die DITF mit der Hochschule Reutlingen ein Nassvlies entwickelt, das mit einem biobasierten Harzsystem zu einem Verbundwerkstoff gepresst wird. „Er ist belastbar und kann vielseitig verarbeitet werden“, erklärt Milwich. Die Stuttgarter Schreinerei Nuding machte daraus etwa zwei Millimeter dicke Furnierplatten, mit denen Pressspanplatten für die Möbelproduktion überzogen wurden.

Dass sich Horst Körger, der Geschäftsführer der Hopfenpower, und Faserforscher Milwich zusammentaten, erwies sich als Glücksfall. Denn Milwich sucht seit mehr als 25 Jahren nach immer neuen Wegen, aus Naturfasern wie Flachs, Hanf, Jute oder Kenaf Verbundstoffe zu entwickeln. Aus der Idee wurde nach ein paar Jahren ein Forschungsprojekt, das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird.

Schichtstoffe sind in der Möbelindustrie gefragt, da sie flexibel gestaltet werden können. Der an den DITF entwickelte Verbundwerkstoff aus Gärresten sei eine besonders nachhaltige Variante, erklärt Milwich. „Um ihn herzustellen, werden diese pflanzenhaltigen Reststoffe umweltschonend gereinigt.“ Diese Masse werde erst zum Nassvlies und schließlich weiter verarbeitet.

Das Projekt sei ein Beispiel für erfolgreiche Kreislaufwirtschaft und Wertschöpfung. „Gärreste als Industrierohstoff zu verwenden, ist eine umweltschonende Alternative zur bisherigen Nutzung als Dünger, die die Nitratbelastung der Böden erhöht.“ Bei der Produktion werde bewusst auf chemische Zusätze verzichtet. „Wenn bei der Gestaltung des Möbelstücks noch Verschnitt aus der Textilindustrie zum Einsatz kommt, ergeben sich nicht nur außergewöhnliche Designs, sondern ein Mehrwert für die Umwelt.“ Ein spektakuläres Beispiel dafür, wie Verbundfaserstoffe heute auch in der Architektur eingesetzt werden, ist der neue Forschungspavillon auf dem Campus Stadtmitte an der Uni Stuttgart.