Lokale Kultur

Musik aus der Feder eines kreativen Grenzüberschreiters

Meisterhaftes Konzert zum 40. Bühnenjubiläum von Georg Lawall – Von Händel bis zum Schlagzeugsolo

Festkonzert zum 60sten und 40 BYhnenjubil¿um, Georg Lawall in der Kreuzkirche
Festkonzert zum 60sten und 40 BYhnenjubil¿um, Georg Lawall in der Kreuzkirche

Kirchheim. Aus Anlass seines 60. Geburtstages und seines 40. Bühnenjubiläums hatte der Musik- und Wortkünstler Georg Lawall seine Freunde und Wegbegleiter zu einem Konzert eingeladen. Sie verzichteten

auf Gage und schenkten den knapp 100 Zuhörern in der Kreuzkirche einen äußerst vielseitigen Abend.

„Wo die Sprache aufhört, fängt Musik an“, führte Andrea Rosa Simma als Moderatorin in den Abend ein. Während des knapp dreistündigen, sehr kurzweiligen Konzertes, erklang Musik in unzähligen Sprachen und Dialekten. Lawall ist ein kreativer Grenzüberschreiter, er kombiniert musikalische Genres und führt vor, auf welche Arten und an welchen Stellen man einer Gitarre Töne entlocken kann. Entspricht ein Instrument noch nicht seinen Vorstellungen, lässt er es eben umbauen. So machte er aus seiner Sitar kurzerhand eine Sitarval.

Das Programm folgte Lawalls musikalischer Entwicklung. Wie diese begann, berichtete Willi Kamphausen, der Lawall die ganzen 40 Jahren begleitet hat und ihm zu Ehren beim Konzert seine legendäre weiße Mütze durch ein goldenes Exemplar ersetzte. Als Junge war Lawall in der Singschule von Kirchenmusikdirektor Ernst Leuze. Wenn ein Freund lieber mit seiner Freundin zusammen war, als zu Leuze in den Klavierunterricht zu gehen, sprang Lawall gerne ein. So kam er ohne Wissen seines Vaters zu kostenlosem Unterricht. Er versuchte sich auch an der Geige, schlug ihr aber aus Verdruss zweimal den Hals ab, den sein Vater dann wieder anleimte.

Leuze und die Orgel standen daher am Anfang des Konzerts, es erklangen Präludium und Fuge zu „Gott liebt diese Welt“. Dann griff Lawall zur Gitarre, Händels Halleluja war eine reine Freude. Virtuos folgte Joachim Schall, erster Konzertmeister des Staatsorchesters Stuttgart, an der Geige mit Lawalls Kompositionen „Impromptu“ und „Fuge“. Leonid Kontorowski interpretierte drei Zwölftonstücke von Lawall. Diese Musik nehme die Demokratie vorweg, meinte Simma, mit zwölf gleichberechtigten Tönen, die erst wieder erklingen dürften, wenn alle andern auch an der Reihe waren.

Bei „Seattle Impressions“ lief Schlagzeugsolist Joachim Fuchs-Charrier zur Höchstform auf. Diese Klänge und Rhythmen sollen alle von einem einzigen Mann kommen? Unglaublich. Als Antwort auf den tosenden Applaus gab’s noch einen gespielten Witz, bei dem Fuchs-Charrier auch noch das Jonglieren begann.

Bevor Lawall einen Rap aus seinem Buch „Teckgeschichten“ vortrug, wurde das Werk von Marcel Reich-Ranicki kommentiert. Die Stimme aus der nur einen Spalt weit geöffneten Tür klang täuschend echt – Es war Lawall selbst, der nach seinem Vortrag eine Premiere erlebte. Vor 25 Jahren hatte er sein Stück „Vernissage“ für die Flöte geschrieben, doch keiner wollte es spielen. So schrieb er es für die Geige um und war damit weit erfolgreicher. Nun sorgte Albrecht Imbescheid dafür, dass Lawall seine Komposition das erste Mal mit der Querflöte hörte. Auch „No more battle in Jericho“ hatte einen Instrumentenwechsel hinter sich: Ursprünglich für Orgel und Trompete komponiert, nahmen sich nun Gitarre, Streicher und Schlagzeug dem turbulent arrangierten Gospel an.

„Hello, we’re back“, hieß es nach der Pause. Das Stück schrieb Lawall, als 1992 die Band Orexis erneut gegründet wurde. Der „Same bassy blue Samba“ entstammte ebenfalls dem Repertoire von Orexis, war 1977 auf deren erster Schallplatte zu hören. Es hätte gerne noch etwas mehr Jazz sein können, doch schon wartete Indien: „White Rose“ auf der Sitarval. Mit dem „Mai“ aus den „13 Monaten“ präsentierte die Sopranistin Hilde Scheerer ein Lied im Stile Schuberts. Hesse beschrieb Kirchheim als „Kastanienstadt“. Lawall hat den Text vertont, Tenor Georg Grunenberg sang einen Satz daraus. Auch Hesses „Lulu“ hat sich Lawall angenommen, Scheerer erfreute mit dem ruhigen „Mein Herz, es wundert sich“.

Fehlt noch das, wozu sich Beethoven nicht traute. Hätte er doch nach Lawalls Schilderung – „wer’s glaubt, wird selig“ –, die Möglichkeit gehabt, die von Humboldt aus Südamerika mitgebrachten Sambaelemente zu verarbeiten. Er unterließ es, Lawall übernahm und komponierte seine „Mambony No. 5“, die zum glanzvollen Schlusspunkt des Konzertes wurde. Nicht ganz, denn die Zuhörer durften sich noch ihre Zugabe singen. „Das One World Anthem“ als Lied für die ganze Welt beruht zugleich auf der Melodie der deutschen Nationalhymne und der Europahymne.

40 Jahre Bühnenerfahrung geben Gelassenheit: Könner können es sich eben leisten, Grenzen zu überschreiten, sich und die Musik nicht verbissen ernst zu nehmen. Dadurch wurde die hohe Kunst nicht im Mindesten geschmälert, doch das Konzert zugleich ein Abend unter Freunden.