Kirchheim

Nahrungsmittel müssen ihren Preis habenInterview

Die Talfahrt des Milchpreises macht den Bauern zu schaffen. Neue Standbeine zu entwickeln ist nicht für jeden Betrieb die Lösung. Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes, erklärt weshalb.

Siegfried Nägele
Siegfried Nägele

Herr Nägele, schon wieder Subventionen für die Landwirtschaft. Was sagen Sie dazu?

 

SIEGFRIED NÄGELE: Die Bezeichnung Subvention trifft den Sachverhalt meines Erachtens nicht. Aufgrund politischer Sanktionen wurde mit dem Russland-Embargo ein gut funktionierender Markt lahmgelegt. Das kann nicht die Landwirtschaft als wirtschaftlich Hauptbetroffener alleine tragen. Als im Jahr 2009 die Abwrackprämie für die Verschrottung relativ junger Fahrzeuge von staatlicher Seite gezahlt wurde, ging kein Aufschrei durch die Bevölkerung. Dabei war die Prämie nichts anderes, als eine Subvention für die Automobilwirtschaft in einer viel größeren Dimension. Eines muss klar sein: Wenn die Landwirtschaft vollends ausgequetscht wird, dann fällt sie zumindest in der Form einer bäuerlichen familiengetragenen Landwirtschaft als Partner in Zukunft weg. Da droht nicht mehr der bisherige Strukturwandel, sondern ein großer Strukturbruch hin zu Import und industriellen Produktionen.

 

 

Sie wollen nicht von Subvention sprechen. Welchen Begriff wählen Sie?

 

NÄGELE: Es sind Ausgleichsleistungen für hohe Produktions- und Umweltstandards, welche die Politik und die Gesellschaft in unserem Hochlohnland für eine moderne Landwirtschaft haben will. Wie die Buchführungsergebnisse der landwirtschaftlichen Betriebe jedoch zeigen, führt das nicht zu hohen Einkommen der Bauernfamilien. Vielmehr profitiert unsere Gesellschaft, die Industrieexportnation. Gerade in Deutschland trägt der Verbraucher, bedingt durch günstige Preise, die geringsten Ausgaben für hochwertigste Nahrungsmittel, die im globalen Preiswettbewerb stehen.

 

 

Was bedeutet ein Strukturbruch für die Tierhaltung, die oft mit Blick auf die Landwirtschaft kritisiert wird?

 

NÄGELE: Im internationalen Vergleich hat Deutschland sehr hohe Auflagen, was artgerechte Tierhaltung und Flächenbewirtschaftung in landwirtschaftlichen Betrieben anbelangt. Die Einhaltung wird von den Behörden streng geprüft. Wenn es die Landwirte vor der Haustüre nicht mehr gibt, muss sich der Verbraucher mit den Bedingungen arrangieren, unter denen Bauern in anderen Ländern die Importware für den deutschen Markt erzeugen. Unsere Kulturlandschaft würde erheblich darunter leiden.

 

 

Könnte in der Diversifikation eine Chance liegen, um Marktschwankungen auszugleichen?

 

NÄGELE: Diversifikation, also Produkte auf neuen Märkten anzubieten oder neue Produkte ins landwirtschaftliche Sortiment aufzunehmen, kann für einen Teil der familiengeführten Betriebe durchaus eine Lösung sein. Allerdings lässt sich derzeit weder mit Weizen noch mit Fleisch, Obst und Gemüse das große Geld verdienen. Das Russland-Embargo hat auch hier durch den fehlenden Absatz den Markt lahmgelegt.

 

 

Bietet der regionale Markt Chancen?

 

NÄGELE: Die Potenziale des regionalen Marktes sollten auf jeden Fall genutzt und ausgeschöpft werden. Allerdings müssen die Betriebe dann darauf achten, dass es auch arbeitswirtschaftlich leistbar und rentabel ist. Neue Ideen, Angebote und Standorte sollten überlegt werden. Unendlich lassen sich aber auch Direktvermarktung und Hofläden nicht verdichten.

 

 

Diversifikation rettet die Landwirtschaft also nicht?

 

NÄGELE: Sie hilft schon, aber nicht alleinig. Außerdem bedeuten mehr Standbeine einen größeren Aufwand und steigende Kosten. Wer in die Direktvermarktung und andere Angebote einsteigt, muss auch hier Geld investieren und gegebenenfalls Personal einstellen. Das geht nicht von heute auf morgen, und die Direktvermarktung muss zum Betrieb passen.

 

 

Wie sieht es mit der Biomilch aus?

 

NÄGELE: Der Preis bei der Biomilch ist derzeit stabil. Er bewegt sich zwischen 45 und 50 Cent pro Liter. Die Erzeuger produzieren für einen Markt, der vier bis fünf Prozent der Verbraucher erfasst, die bereit sind, für Milch mehr zu bezahlen. Das ist nicht beliebig ausbaubar, ohne dass auch hier Nachfrage und Angebot auseinanderlaufen.