In Ötlingen soll das ehemalige Güterbahnhofsgelände bebaut werden. Es geht darum, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Eine Brachfläche in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof wird im Sinne der Innenverdichtung zu einem neuen Wohngebiet. Es wird Wohnraum geschaffen, der auch die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnen bedienen soll. Und schließlich will die Stadt Kirchheim auch die Gegend rund um die Reutlinger Straße aufwerten. Eine Gentrifizierung ist nicht mehr vorgesehen. Gedacht ist stattdessen an eine Durchmischung unterschiedlichster sozialer Milieus. Deswegen sind Mehrfamilienhäuser ebenso vorgesehen wie Einfamilienhäuser.
Letztere allerdings zollen der Idee des geringeren Flächenverbrauchs Tribut: Statt in die Breite dehnen sie sich in die Höhe aus - nach dem Prinzip des „Stadthauses“, wie es derzeit auch im Steingau-Quartier entsteht. So sieht es der frisch gekürte Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs vor. Er stammt vom Stuttgarter Büro UTA - Architekten und Stadtplaner. Die Preisrichter haben lediglich ein Manko erkannt: „Die relativ geringe Anzahl an Wohneinheiten wird kritisch gesehen“, heißt es in der Beurteilung. Im Pressegespräch gibt Fachpreisrichterin Sibylle Käppel-Klieber dann bereits eine Richtung vor, wie sich das ausgleichen ließe: „Eine Erhöhung wäre denkbar.“
112 neue Wohneinheiten
Dem Adjektiv „gering“ ist in diesem Fall aber zurecht das Adverb „relativ“ vorangestellt, denn insgesamt würde der Siegerentwurf 112 neue Wohneinheiten vorsehen. Mag sein, dass sich auf dem Gelände insgesamt auch mehr verwirklichen ließe. Aber 112 neue Wohnungen oder Häuser sind im Kampf gegen die Wohnungsnot trotzdem mehr als nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Ausdrücklich lobend erwähnt Sibylle Käppel-Klieber im Zusammenhang mit der siegreichen Arbeit: „Es ist der einzige Entwurf, der sich klar und deutlich gegen eine Tiefgarage entschieden hat.“ Eine zentrale Tiefgarage für das gesamte Areal, das ganze zweieinhalb Hektar umfasst, würde der Idee zuwiderlaufen, das Gelände phasenweise zu bebauen. Als erstes müsste dann ja die Garage entstehen, als eine Art Fundament für jede weitere Bebauung.
Stattdessen aber sieht der Entwurf ein zentrales Parkhaus für das gesamte Gebiet vor. Wer dort parkt, hat anschließend noch einen gewissen Fußweg bis zur Wohnungstür vor sich. Das Gelände als solches soll aber vor allem dem Fußgänger- und Fahrradverkehr vorbehalten bleiben. Ein weiterer Vorteil des Parkhauses: Weil es in der Nähe des Bahnhofs stehen soll, kann es auch für S-Bahn-Pendler von großem Nutzen sein.
Für Bürgermeister Günter Riemer gibt es kaum ein geeigneteres Wohnumfeld, „um auf ein eigenes Auto zu verzichten“. Nicht nur der S-Bahn-Halt in Ötlingen ist in unmittelbarer Nähe. Auch zwei Buslinien bedienen den Bahnhof. Das Parkhaus „sollte in einer Hand bleiben“, merkt Stadtplaner Gernot Pohl an. Ideal wäre es aus seiner Sicht, wenn die Stadtwerke das Parkhaus betreiben würden - und vielleicht noch eine Nahwärmeversorgung integrieren könnten.
Oberbürgermeister Pascal Bader prognostiziert durch den Siegerentwurf eine positive Entwicklung fürs Güterbahnhofsareal: „Die Bebauung ist nicht zu dominant. Außerdem gibt es viel Freiraum und Grünfläche.“ Voraussetzung dafür, dass das auch so bleibt, wäre freilich der Verzicht auf die angesprochene Aufstockung.
Was unangefochten gelobt wird, ist der Umgang mit den vier Metern Gefälle auf dem Gelände - ohne Böschungen aufzubauen. Auch der bestehende Entwässerungsgraben soll als solcher erhalten bleiben. Lediglich die Vorstellung von einem dauerhaften blauen Band auf dem Areal dürfte wohl zu optimistisch sein: Der Graben führt eben nicht immer Wasser.