Kirchheim

Orchester begeistert mit Leichtigkeit

Musik In der Kirchheimer Schlosskapelle spielte das Kammerorchester Concerto Imperiale und bot den Zuhörern heitere, verspielte Stücke. Von Winfried Müller

Konzentriert spielten die Musiker die barocken Kompositionen.  Foto: Markus Brändli
Konzentriert spielten die Musiker die barocken Kompositionen. Foto: Markus Brändli

Erfreulich großen Zuspruch fand das vom VHS-Kulturring veranstaltete Konzert mit Mitgliedern des Concerto Imperiale unter der Leitung von Dr. Bernhard Moosbauer.

Diesmal hatte der Spriritus Rector der Konzerte, der promovierte Musikwissenschaftler und Barockviolinist Bernhard Moosbauer ein besonders interessantes und klanglich apartes Programm zusammengestellt. Wird die Barock- epoche doch allgemein, im Urteil der Nachwelt, als prächtig aber auch überladen und oft schwülstig bezeichnet, so lernte man an diesem Abend besonders die heitere, verspielte Seite der Musik dieser Zeit kennen.

Musik ohne den namengebenden Generalbass, ausschließlich für Violinen in unterschiedlichen Kombinationen war der rote Faden des Programms. Ist der sonst stets präsente, grundierende Bass, gespielt von Violone, Violoncello oder Fagott, begleitet von Cembalo, Orgel oder Laute ein stilbildendes Merkmal der Barockmusik, kamen die Kompositionen des Abends vollständig ohne diese Instrumente aus. Wo der Basso Continuo allgegenwärtig war in dieser Zeit, musste sein Fehlen als besonderer klanglicher Reiz empfunden werden. Die normalerweise durchklingende gewisse „Erdenschwere“ des Bassfundaments wurde in den Kompositionen des Abends gegen eine agile, profilierte Stimme der untersten Geigenstimme ausgetauscht, eine neue Farbe somit dazugewonnen. Bei den Komponisten fündig wurde Bernhard Moosbauer unter anderem bei dem „Multitalent“ der damaligen Zeit, dem mehr als vierzig Jahre lang in Hamburg wirkenden Komponisten Georg Philipp Telemann. Von seinen vier überlieferten Konzerten für vier Violinen bildeten drei das musikalische Zentrum des Programms. Für die Ausführung hatte sich Bernhard Moosbauer versierter Kollegen versichert, die mit ihm die Werke klangprächtig und mit sprühender Spielfreude zum Klingen brachten: Susanne Zippe, Sabine Brodbeck und Reiner Ullreich, der zumeist das „tiefe Register“ sozusagen den Bass „light“ in den Kompositionen repräsentierte.

Diese Konzerte sind, für die Zeit eher untypisch, durch vier Sätze mit kontrastierenden Tempi gekennzeichnet und boten den Mitwirkenden ausreichend Gelegenheit, ihr Können zu zeigen und den Werken zu lichtem, strahlenden Glanz zu verhelfen. Virtuose Läufe, Fugatoteile, schöne Echowirkungen und mannigfaltige Stimmkombinationen wechselten in rascher Folge. Beeindruckend war auch, neben der absoluten Präzision im Zusammenspiel, die exakte Artikulation und Intonation. So erzeugten die Musiker teilweise impressionistisch anmutende Klänge, besonders in den langsamen Passagen mit kühnen Harmoniewechseln.

Einer der Höhepunkte des Abends war die „Suite in D“ von Telemann für zwei Violinen ohne Bass, inspiriert von einem bedeutenden literarischen Werk der Zeit: „Gullivers Reisen“ von Jonathan Swift. In unnachahmlicher Meisterschaft übertrug Telemann die verschiedenen Charaktere und Gruppen auf die Musik. So erklang eine äußerst knappe, mit extrem kurzen Notenwerten vertonte, „Lilliputsche Chaconne“ und als Gegenstück dazu eine geradezu „riesenhafte Gigue mit unzählig vielen Ganzenoten, was dem Satz eine monumentale Statik verlieh. Das Stück klang aus mit einem Dialog, an einen Ausschnitt aus „Bilder einer Ausstellung“ erinnernd, zwischen einer ruhig gesetzten und einer melodisch ungestümen Stimme. Susanne Zippe und Bernhard Moosbauer ergänzten sich bei dieser Komposition in perfekter Abstimmung.

Neben dem barocken „Schwergewicht“ Telemann wussten aber auch die übrigen Werke für zwei bis vier Violinen, die das Programm reizvoll mit meist suitenartigen Satzabfolgen erweiterten, zu gefallen. Frankreich war unter anderem mit dem „Erfinder“ des Geigenduos, Jean-Marie Leclair, vertreten, der Wiener Hofkapellmeister Johann Joseph Fuchs steuerte eine Sonate für drei Violinen in perfekter Kontrapunktik bei. Mit Telemann und trompeten- imitierenden Klängen klang der Abend aus, der wiederum sehr interessante Einblicke in den faszinierenden Kosmos barocker Musik gewährte. Warmer, anhaltender Beifall belohnte die Akteure für ihre herausragenden Leistungen und unterstrich gleichfalls den „Hunger“ nach Kultur und Livemusik in Corona-Zeiten.