Kirchheim

„Ordnung ist der Humor der Deutschen“

Kabarett Er spielt mit seinem Namen, nimmt die Spitzfindigkeiten der Deutschen, der Türken, aber auch sich selbst auseinander: Fatih Çevikkollu präsentierte im Club Bastion sein Programm „Fatihmorgana“. Von Anja Heinig

Fatih Çevikkollus Witze scheinen nicht nur auf dem Papier zu funktionieren. Das Publikum war von ihm begeistert.Foto: Anja Heini
Fatih Çevikkollus Witze scheinen nicht nur auf dem Papier zu funktionieren. Das Publikum war von ihm begeistert.Foto: Anja Heinig

Fatih Çevikkollu kam im hellblauen Anzug und Birkenstocksandalen in den Club Bastion in Kirchheim. Wie er selbst sagt, teste er gerade neue Gags und Geschichten, an denen er monatelang gearbeitet hat und die auf dem Papier gut aussehen, aber immer noch den letzten Schliff auf der Bühne brauchen. Fatih Çevikkollu macht politisches Kabarett - das sollte man wissen, bevor man seine Karten kauft. Man sollte auch wissen, wer er ist und was seine Kernthemen sind. Er spielt mit seinem Namen, nimmt die Spitzfindigkeiten der Deutschen, der Türken, aber auch gerne sich selbst auseinander. „Je derber der Tabubruch, desto besser der Gag.“ Seine Kabarett-Programme hießen unter anderem „Fatihland“, „Fatihtag“, und jetzt eben „Fatihmorgana“.

Mit der aktuellen Groko-Bildung fing er an, indem er das Publikum fragte, warum es die FDP in den Bundestag geschafft habe. Die Antwort: „Wir leben in einer Bildwelt.“ Linder habe Bilder von sich „schießen lassen, weil er so hübsch sei“, und dann schaut er noch weg. „Wir stehen vor einer epochalen Phase, es gibt digitale Eingeborene und digitale Migranten, Letztere sind alle über 20“, so der Künstler. Also fast jeder der knapp 80 Zuschauer im Publikum. Weltweit gibt es mehr Zugänge zum Netz als zu Toiletten. Er gibt zu bedenken, dass die Gesellschaft technisch ganz weit vorne steht, aber gesellschaftlich Rückschritte macht. Großes Thema sei die Religion und die Medien. Als Beispiel nannte er die Diskussion in den Medien über muslimische Feiertage - wie aus einer Frage am Rande einer Pressekonferenz, ob sich De Maiziere solche in Deutschland vorstellen könne, eine riesige Welle wurde und Aussagen verfälscht wurden. Im Übrigen wäre er dafür, dass der Feiertag „Allah-Heiligen“ ganz gut passen würde. Während der politischen Aussage war es ruhig, die Leute nachdenklich, beim Gag hatte er die Lacher auf seiner Seite.

Wo leben wir denn?

Mit seinem Wortwitz attestiert er den Deutschen, dass sie „Lust am Recht auf Empörung haben“. „Jedoch musst du aufpassen, wann du was sagst, wir leben in einer aufgeheizten Zeit“, sagte er. Dann gebe es immer wieder Leute, die sagen: „Kümmere dich mal um deinen Erdogan“. Er antwortet: „Wo leben wir denn? Ich habe genug mit meiner Merkel, meinem Kauder und so zu tun.“

Für Fatih Çevikkollu war es eine Herausforderung, in die Türkei zu fliegen, zumal er sich über den ersten demokratisch gewählten Sultan mit dem gefälschten Diplom kritisch geäußert hatte. Als Urlaubstipp pries er die Türkei an. „Da buchst du 14 Tage und bekommst unter Umständen 20 Jahre hinzu“, scherzt er. Man müsse aber gar nicht in die Ferne schweifen. In Deutschland gebe es Rüstungsfirmen, die machen Metallarbeit, aber im Allgemeinen Panzer. Der ehemalige Minister für Entwicklung und Wirtschaft habe gelernt, dass geschmuggelte Teppiche nicht rentabel sind. Jetzt werden Panzer in die Türkei geliefert.

Fatih Çevikkollu konnte dem Publikum versichern, dass er kein Problem damit hat, dass seine Frau mehr Geld verdient, er muss es nur 20 Mal wiederholen. Auch kümmere sich seine Frau um Wohnung, Kinder und Garten - gewieft nahm er dabei das Vorurteil aufs Korn, dass nur die Muslime die Frauen nicht gleich behandeln. Aber warum verdienen Frauen in Deutschland 20 Prozent weniger als Männer? Die Antwort ist einfach: Weil sie Frauen sind. Ruhe und Nachdenklichkeit im Publikum. Er fragte, ob er Witze über den Islam machen dürfe: Eine Antwort gab es nicht. Er erzählte den Witz, das Publikum lachte. Was er damit aber eigentlich zeigen wollte, wurde bei der nächsten Frage klar. Die Mehrheit der Gäste war dafür, dass man Witze über Christen machen kann. „Du darfst lachen, deshalb bist du kein Nazi. Ein Nazi bist du wegen was anderem. Wir werden nie wissen, was in deinem Kopf vorgeht. Ordnung ist der Humor der Deutschen“, so der Komiker.

Der gesamte Abend war trotz schwerer Themen rasant, aber elegant. Mit zahlreichen Beispielen entschärfte er Vorurteile - zu seinen Birkenstock-Sandalen sagte er: „Hier bist du Tempelflitzer. Im Ausland aber typisch deutsch.“