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Proben mit dem Rücken zur Wand

Kultur Das Naturtheater ist durch die Corona-Maßnahmen in extreme Finanznöte geraten. Trotzdem bereitet sich das gesamte Ensemble mit viel Spielfreude auf die nächste Spielzeit vor. Von Petra Bail

Allein im weiten Rund: Kerstin Schürmann und Klaus Herzog stehen auf der leeren Bühne des Grötzinger Naturtheaters. Foto: Petra
Allein im weiten Rund: Kerstin Schürmann und Klaus Herzog stehen auf der leeren Bühne des Grötzinger Naturtheaters. Foto: Petra Bail

Die Ungewissheit macht dem Ensemble zu schaffen. „Ein Leben ohne Naturtheater Grötzingen ist möglich, aber sinnlos“ - so empfindet es die künstlerische Leiterin, Kerstin Schürmann. Sie ist im Vorstandsteam und weiß, wie die Schauspieler leiden - „und das Publikum auch“. Im Februar vergangenen Jahres standen alle in den Startlöchern für die neue Theatersaison. Das Aus für „Cyrano de Bergerac“ folgte dann nach dem ersten Lockdown im März.

Jetzt steht der Verein wieder vor der Ungewissheit, ob, wann und wie der Spielbetrieb möglich ist. Eine zweite ­Produktion wurde angesichts der angespannten Finanzlage ad acta gelegt. Statt­dessen steht das Familienstück „Robin Hood“ auf dem Programm. Bislang waren lediglich Online-Proben möglich - die bei einem so handlungsstarken und dynamischen Schauspiel aber doch an ihre Grenzen stoßen. Normalerweise geht’s von April an auf die Bretter unter freiem Himmel. „Wenn wir den Mai nicht haben, dann weiß ich nicht, ob wir’s hinkriegen“, sagt Schürmann, die trotz dieser Befürchtung optimis­tisch bleibt. Klaus Herzog fügt indes hinzu: „Wenn wir dieses Jahr nicht spielen, sind wir pleite.“

Als Vorstand kümmert sich Herzog um die Finanzen und weiß, was es heißt, auch ohne Spielbetrieb 50 000 Euro Fixkosten bestreiten zu müssen. 2020 konnte der Verein mit einem überschaubaren Minus von 7000 Euro abschließen - dank einer Spende von 20 000 Euro. Der Ticketverkauf spülte weitere 15 000 Euro in die leere Kasse. Die Käufer wollten das Geld nicht zurück und wandelten es in Gutscheine um. Einnahmen, die jedoch dieses Jahr fehlen, sollten die Gutscheine eingelöst werden. Wenn es dieses Jahr wieder keine Einnahmen gibt, steht für 2022 kein Geld für Produktionen mehr zur Verfügung.

Herzog rechnet mit einem Drittel der üblichen Einnahmen, da durch das Hygienekonzept nur 300 von 830 Plätzen belegt werden können. Auch die Kindergarten- und Schulveranstaltungen ­fallen weg, da es ja keine Produktion für den Nachwuchs gibt. Die Hauptlast liegt nun auf den Amateurschauspielern. „Sie haben das Gefühl, Teil von etwas gro­ßem Ganzen zu sein“, umschreibt die künstlerische Leiterin das, was die Mitstreiter antreibt. Die Rollen wurden nicht doppelt besetzt, um den Aufwand zu verringern. Da darf keiner krank werden. Doch die Darsteller zeigten viel Bereitschaft und Spielfreude, sagt Schürmann. Wenn da nur die Unsicherheit nicht wäre. „Man weiß nicht, was passiert. Aber wir müssen planen.“

Das gilt nicht nur für das Stück an sich, sondern auch für andere Bereiche: Ist beispielsweise kein Kioskverkauf erlaubt, wirkt sich das auf den Verlauf des Abends aus; gibt es überhaupt eine Pause, muss das Schauspiel gekürzt werden? Solche Fragen treiben das Vorstandsteam um. Das Hygienekonzept steht. „Das Publikum kann sich sicher fühlen“, verspricht Schürmann. Damit dies auch für die Schauspieler gilt, fordert Herzog Coronatests vom Land. „2000 Schnelltests wären eine große Hilfe.“ 50 Masken hat eine Filderstädter Firma gespendet.

Im Moment sieht es trostlos aus auf der Theateranlage. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Reinhold Oppermann fassungslos. Der 81-Jährige ist seit 40 Jahren im Verein aktiv. Als Hausmeis­ter schaut er nach dem Rechten auf dem Gelände, auf dem seit 1954 einem gro­ßen Publikum lebhafte Theaterveranstaltungen geboten werden. Jetzt ist es einsam.

Pläne für die Theatersaison

Auch ein Gastauftritt von Chris­toph Sonntag ist geplant.
Auch ein Gastauftritt von Chris­toph Sonntag ist geplant.

Familienstück: Läuft alles rund, ist am Samstag, 12. Juni, um 20.30 Uhr Premiere von „Robin Hood“. Der Mythos des schlitzohrigen Kämpfers für die Unterdrückten wird als Stück für die ganze Familie inszeniert. Anders als in den Vorjahren gibt es in diesem Jahr am Naturtheater nur eine Produktion, also kein extra Kinderstück.

Wettstreit der Dichter: Am Freitag, 25. Juni, bietet der Stuttgarter Poetry Slam im Naturtheater eine rasante Dichterschlacht, die zu den letzten großen Abenteuern für Fans von Bühne und Literatur gehört. Am Freitag, 9. Juli, verspricht der Comedian Christoph Sonntag mit seiner neuen Live-Show „Wörldwaid“ Spaß auf allen Kontinenten. Am Freitag, 23. Juli, präsentiert die Set Musical Company in extravaganten Kostümen die größten Hits und Evergreens aus internationalen Musicals.

Volles Programm: Bis einschließlich 22. August sind 29 Veranstaltungen geplant. Wegen der Abstands- und Hygieneregeln gibt es vermutlich weniger Zuschauerplätze als sonst. Aktuelle Informationen, Karten und Gutscheine sowie Anfangszeiten findet man auf der Homepage des Theaters unter www.naturtheater-groetzingen.de.pb