Gefährliche Gegner komplett auszurotten, widerspricht heutzutage den Prinzipien der „political correctness“. Selbst Raubtiere wie Wolf oder Bär, die dem Menschen in freier Wildbahn äußerst gefährlich werden können, erleben deshalb in Mitteleuropa ihre Wiederansiedlung - lange nachdem sie hierzulande als ausgerottet galten.
Bei einem Gegner allerdings darf die Menschheit eines Tages mit berechtigtem Stolz sagen, dass er ausgerottet ist: beim Polio-Erreger. In Deutschland ist Polio besser bekannt als Kinderlähmung. Und viele, die hierzulande einst als Kinder ihre Schluckimpfung gegen die Kinderlähmung erhalten haben, könnten es schon in Bälde als Rentner erleben, dass Polio weltweit „erledigt“ ist.
Rund 40 Jahre hätte es dann gedauert, die Krankheit zu besiegen. In den 80er-Jahren hat es sich eine weltweite Organisation erstmals auf die Fahnen geschrieben, hier einen historischen Sieg zu erringen: Rotary International. Seither haben Rotary Clubs aus aller Welt „mehr als 2,1 Milliarden US-Dollar und unzählige ehrenamtliche Arbeitsstunden für den Kampf gegen Polio zur Verfügung gestellt“, wie Dr. Florian Bopp, der aktuelle Präsident des Rotary Clubs Kirchheim-Nürtingen berichtet.
Sein Vorgänger im Präsidentenamt, Tilo Holighaus, stellt sich sogar als Weltmeister in den Dienst, um der Kinderlähmung den Garaus zu machen. „Den WM-Titel habe ich im Juni 2019 in den Pyrenäen errungen“, erzählt der Kirchheimer Segelflieger, der seine sportliche Prominenz in diesem Fall ganz bewusst einsetzt: Das Logo der Kampagne „End Polio Now“, das sich mit „Stoppt Kinderlähmung jetzt“ übersetzen lässt, prangt deutlich sichtbar auf dem sonst blütenweißen Flugzeug des Weltmeisters. „Ich habe mir das wie ein Sponsoren-Logo aufs Flugzeug geklebt, um so unsere Botschaft zu verbreiten.“ Tatsächlich wird er immer wieder direkt auf den Hintergrund des Logos angesprochen.
Überzeugungsarbeit ist gefragt
Überzeugend war das Engagement von Rotary auch im großen Stil, fügt Florian Bopp beim Gespräch im Vorfeld des morgigen Welt-Polio-Tags an: „Viele Regierungen haben ihrerseits Geld zur Verfügung gestellt - mehr als zehn Milliarden Dollar.“ Weitere Überzeugungsarbeit ist aber nach wie vor gegenüber Impfgegnern zu leisten, sagt Tilo Holighaus: „Polio existiert vor allem noch in Pakistan und Afghanistan, und dort gibt es viele Impfgegner, vor allem aus religiösen Gründen.“ Das einzige, was hilft, ist Aufklärung vor Ort - „und zwar durch eigene Leute, die in der richtigen Umgebung die richtige Sprache sprechen“.
Rotary hat dafür die ideale Struktur: „Unsere Clubs gibt es überall auf der Welt. Clubs aus Europa oder Nordamerika können viel Geld spenden, während andere Clubs vor Ort dafür sorgen können, dass das Geld auch wirklich an die richtige Stelle kommt.“ Das gilt auch beim Kampf gegen Polio. Es geht den Rotariern nicht nur darum, erneute Ausbrüche der Krankheit zu verhindern. Sie helfen mit dem „Polio-Plus-Programm“ auch denen, bei denen es zu spät ist für eine Impfung - denjenigen also, die mit der lähmenden Krankheit leben müssen.
„Bei den Impfungen kriegt man eben auch andere Dinge mit“, sagt Florian Bopp. Ob in Nigeria oder in Indien - wer vor Ort impft, merkt auch, dass jemand eine Mobilitätshilfe braucht oder auch ein Moskitonetz, das vor Malaria schützen kann. Den Rotariern geht es um weit mehr als „nur“ um den Kampf gegen Polio. Es geht ihnen um eine bessere Welt mit weniger Krankheiten und mit weniger Kranken.
Weitere Projekte, von denen die beiden berichten, sind eine Aktion bei Neckartenzlingen, wo Clubmitglieder 500 Bäume gepflanzt haben, oder auch ein Wasserprojekt in Indien. Es sorgt durch Terrassenbau dafür, dass fruchtbarer Boden nicht mehr weggeschwemmt wird. Menschen können somit weiterhin von der Landwirtschaft leben. Verhindert wird so deren Wegzug in die Großstädte. Verhindert wird aber auch die Zerstörung der Natur vor Ort. Globales Denken und lokales Handeln ist für Rotarier also weitaus mehr als ein dahingesagter Slogan.