Kirchheim

Schlangen haben’s auch nicht leicht

Natur Kreuzotter, Schling- und Ringelnatter stehen auf der Roten Liste geschützter Arten. Trotzdem werden die Tiere noch immer erschlagen, auch auf der Alb. Dabei sind die Reptilien besser als ihr Ruf. Von Daniela Haußmann

Wer an warmen Tagen über die Alb wandert, hat gute Chancen, eine Ringelnatter zu treffen.Foto: Daniela Haußmann
Wer an warmen Tagen über die Alb wandert, hat gute Chancen, eine Ringelnatter zu treffen.Foto: Daniela Haußmann

Schlangen sind nicht jedermanns Sache. Schon beim bloßen Gedanken an die Reptilien bekommen viele eine Gänsehaut. Die Tiere mögen Menschen allerdings auch nicht wirklich gerne. Schließlich enden viele Begegnungen für sie nach wie vor tödlich - auch auf der Schopflocher Alb. Aus Furcht oder Unwissenheit werden noch immer viele Schlangen erschlagen.

Bestes Beispiel dafür ist die Kreuzotter, die in der Wissenschaft auch als Vipera berus bekannt ist. Vielerorts wurde das Tier gezielt verfolgt. Seine massenhafte Tötung wurde bis Anfang der Fünfzigerjahre auch auf der Alb mit staatlichen Kopfprämien gefördert. „Pro erlegtem Exemplar zahlten die Kommunen vor dem Zweiten Weltkrieg zwei Reichsmark“, berichtet Sonja Berger, Landschaftsplanerin im Naturschutzzentrum Schopflocher Alb (NAZ). „Nach dem Krieg belief sich die Belohnung auf ein bis zwei D-Mark.“ Für die damalige Zeit ein hübsches Sümmchen, das so manchen in die Lage versetzte, mit der Kreuzotterjagd seinen Lebensunterhalt zu verdienen, so Berger. Keine Frage: Der Biss einer Vipera berus ist nicht harmlos. Betroffene sollten sofort einen Arzt aufsuchen. „Die Tiere können Bakterien übertragen, durch die es zu einer Infektion und im schlimmsten Fall sogar zu einer Blutvergiftung kommen kann.“

Pro Biss werden nach Angaben des BUND nur selten mehr als zehn Milligramm Gift eingesetzt, die tödliche Giftdosis für einen Erwachsenen beträgt 75 Milligramm. Entsprechend gering ist die Gefahr, an einem Kreuzotterbiss zu sterben; der letzte Todesfall in Deutschland trat 1959 auf, wie die Naturschutzorganisation mitteilt. Dass das Gift vor allem Kinder und Senioren dahinrafft, stimmt laut Sonja Berger nicht. „Wie gesagt: Betroffene sollten einen Arzt konsultieren, um Infektionen vorzubeugen oder allergische Reaktionen zu behandeln“, so die Expertin. „Am besten ist es einfach, die Tiere in Ruhe zu lassen.“ Das gilt auch für Schling- und Ringelnattern, die ebenfalls auf der Schopflocher Alb leben. Die beiden Arten sind nicht giftig.

Aber genau wie viele andere Schlangen fangen Kreuzottern, Schling- und Ringelnattern an, sich aufzubäumen, wenn sie sich bedroht fühlen. Die Tiere sind übrigens wechselwarm. Das heißt, ihre Körpertemperatur hängt von der Umgebungstemperatur ab. „Um auf ‚Betriebstemperatur‘ zu kommen, wärmen sie sich deshalb in der Sonne auf“, erklärt Sonja Berger. „In dieser Situation reagieren Schlangen besonders empfindlich auf Störungen, weil sie nicht schnell genug flüchten können.“ Um unangenehme Begegnungen zwischen Mensch und Tier zu vermeiden, sollten Wanderer und Co. die Reptilien nur aus größerem Abstand beobachten und keinesfalls anfassen.

Allen Vorurteilen zum Trotz nützen Schlangen mehr, als sie schaden. Auf dem Speiseplan von Kreuzottern und Schlingnattern stehen hauptsächlich Kleinsäuger wie Eidechsen oder Wühlmäuse. Beide Arten eint ebenfalls die Vorliebe für Rötelmäuse, die das hochinfektiöse Hantavirus übertragen. „Schlangen fungieren also auch als Gesundheitsdienst“, betont Sonja Berger und findet: „So gesehen sollte es viel mehr von ihnen geben.“ Doch eine intensive Landwirtschaft, aufgeforstete Wälder, die weniger Sonnenplätze bieten, und verschmutzte Gewässer schränkten die Zahl der Lebensräume auch in Schopfloch und Umgebung deutlich ein. Die auf gewässerreiche Lebensräume angewiesene Ringelnatter, die sich vorrangig von Amphibien ernährt, kommt noch flächendeckend vor. „Die Zahl der Schlingnattern geht zwar zurück“, so die Expertin. „Aber ihre Bestandsentwicklung verläuft nicht so dramatisch wie bei der Kreuzotter.“

Sonja Berger zufolge kommt die Art vor allem in Mooren vor, die es im Schwarzwald und in Oberschwaben noch gibt. Durch die fehlende Vernetzung der Lebensräume wurde der genetische Austausch der Kreuzotterpopulationen unterbrochen. „Dazu trägt auch der Straßen- und Siedlungsbau bei“, bedauert die NAZ-Vertreterin. „Wandern keine neuen Exemplare ein, kommt es zur Inzucht. Die daraus folgende genetische Verarmung kann dazu führen, dass die Nachkommen weniger widerstandsfähig sind oder Gendefekte aufweisen.“ Ein Grund mehr, die Finger von Kreuzotter und Co. zu lassen. Die Tiere haben es schwer genug.

Ausstellung über heimische Schlangen

„Einheimische Schlangen - Faszination oder Entsetzen“ lautet der Titel einer Ausstellung, die am Sonntag, 17. Juni, um 15 Uhr im Naturschutzzentrum Schopflocher Alb eröffnet wird. Dr. Michael Waitzmann von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, wird in einem Vortrag auf die Lebensweise, Ökologie und Gefährdung der Tiere eingehen. Die Teilnahmegebühr beträgt vier Euro.dh