Corona macht auch vor dem Ausbildungsmarkt nicht halt - das wurde gestern bei der Pressekonferenz der Agentur für Arbeit Göppingen deutlich.
Karin Käppel, die neue Chefin der Göppinger Arbeitsagentur, schickte eine erfreuliche Nachricht voraus: „Der Ausbildungsmarkt 2019/20 zeigte sich relativ robust.“ Trotzdem seien die Auswirkungen der Corona-Krise, aber auch des Strukturwandels, der schon zuvor eingesetzt habe, erkennbar. „Corona hat zu einer spürbaren Verunsicherung bei Arbeitgebern, Jugendlichen und ihren Eltern geführt“, ergänzte Karin Käppel. „Der Ausgleich“ sei erschwert gewesen und habe sich um sechs bis acht Wochen nach hinten verschoben - sprich: Bewerber und Ausbilder sind später zusammengekommen als dies in früheren Jahren der Fall war. Ausbildungsverträge wurden später unterschrieben und die Firmen haben ihre Angebote an Ausbildungsstellen später gemeldet oder sich teilweise sogar ganz „von ihren Angeboten verabschiedet“, informierte die Agenturchefin.
So habe man im Agenturbezirk, zu dem die Kreise Göppingen und Esslingen gehören, einen Rückgang sowohl bei den gemeldeten Ausbildungsstellen als auch bei der Anzahl der Bewerber verzeichnet. Trotz allem stand man im Vergleich sogar noch etwas besser da als dies in Baden-Württemberg und auch in ganz Deutschland der Fall war: Mit rechnerisch 1,2 Ausbildungsstellen pro Bewerber hatten junge Menschen eine gute Ausgangssituation für den Start ins Berufsleben, betonte Karin Käppel.
Knick bei starken Branchen
Schon seit Dezember 2019 stelle man fest, dass die Betriebe der Arbeitsagentur weniger Ausbildungsstellen melden, informierte Karin Käppel weiter. Ab März 2020 sehe man einen weiteren Knick bei der Meldung von Ausbildungsstellen in Folge der Corona-Krise. Betroffen seien in der Region leider „unsere starken Branchen“: das verarbeitende Gewerbe, zum Beispiel Werkzeugbau, Metallbereich und Automobilzulieferer, der Handel sowie die Kfz-Instandhaltung und -Reparatur. Mehr Stellen seien hingegen im Baugewerbe sowie in freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen, zum Beispiel Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, gemeldet worden.
Zum Rückgang bei den Bewerberzahlen sagte Geschäftsführerin Bettina Münz: „Dieser ist den Corona-Bedingungen geschuldet.“ Der bereits langjährige Trend zur weiterführenden Schule habe sich im Krisenjahr nochmals deutlich verstärkt. Darüber hinaus wirke sich die Krise auch auf die Berufswünsche der jungen Leute aus, fügte Karin Käppel hinzu. „Viele Jugendliche sehen, dass manche Branchen anfälliger sind und hinterfragen deshalb ihre erste Berufswahl.“ Dies betreffe vor allem die Bereiche Rohstoffgewinnung, Fertigung und Produktion. Profitieren könne hingegen vor allem die IT-Branche.
Kati Schwenck, Teamleiterin der Berufsberatung der Göppinger Arbeitsagentur, rät davon ab, die Berufswahlentscheidung alleine aufgrund der aktuellen Situation zu treffen. „Wir Berufsberater gehen von den Talenten und Interessen der Jugendlichen aus.“ Wer sich davon leiten lasse, werde auch in schwierigen Zeiten das passende „Trittbrett“ für seine berufliche Karriere finden.
Die Berufsberater, die vor Corona verstärkt an den Schulen präsent waren, um die Schüler zu beraten, seien durch die Krise und den Lockdown im Frühjahr hart ausgebremst worden. Trotzdem: Die Berufsberatung sei auch in der Corona-Zeit für die jungen Leute da - mittlerweile in Einzelgesprächen und Kleingruppen wieder an den Schulen, aber auch auf telefonischem Weg, über E-Mail und digitale Medien. „Wir sind darauf vorbereitet, dass wir in den nächsten Monaten weiter verstärkt über digitale Kanäle kommunizieren.“
Abschließend gab Karin Käppel zu bedenken: „Die Bewegung auf dem Ausbildungsmarkt ist da. Wir kommen aber von einem sehr hohen Niveau. Deshalb darf man nicht alles nur negativ bewerten.“ Sie freut sich darüber, dass etliche Betriebe in die Ausbildung investieren. „Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt. Denn Ausbildung im eigenen Haus sichert die Fachkräfte von morgen.“ Mit Blick auf 2021 richtete die Agenturchefin den Appell an die Unternehmen, weiterhin an der Ausbildung festzuhalten. Denn auch nach Corona werde das Problem des Fachkräftemangels nicht behoben sein.