Kirchheim

Schwere Zeiten für Schweinehalter

Tiervirus Die Afrikanische Schweinepest rückt näher. Auch wenn der Kreis Esslingen keine Hochburg der Schweinehaltung ist, beschäftigt das Thema Behörden, Landwirte und Jäger in der Region. Von Bianca Lütz-Holoch

Ein Bild aus vergangenen Tagen: Karl Ederle aus Bissingen mit seinen Weideschweinen. Angesichts der drohenden Afrikanischen Schw
Ein Bild aus vergangenen Tagen: Karl Ederle aus Bissingen mit seinen Weideschweinen. Angesichts der drohenden Afrikanischen Schweinepest hat er die Haltung aufgegeben. Archiv-Fotos: Jean-Luc Jacques
Karl Ederle  und dieTuropolje-SchweineLandwirtschaft
Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Wenn es um die Afrikanische Schweinpest (ASP) geht, muss immer wieder das Wurstbrot für Schreckensszenarien herhalten: In Tschechien gekauft, an einer Raststätte an der A 6 weggeworfen und von Wildschweinen gefressen, trägt es die gefürchtete Tierseuche nach Deutschland. So könnte es passieren - muss es aber nicht.

„Ob die Afrikanische Schweinepest überhaupt nach Deutschland kommt, ist gar nicht gesagt“, meint Dr. Christian Marquardt, Leiter des Veterinäramts im Kreis Esslingen: „Aber das Thema beschäftigt uns natürlich.“ Sein Amt sei in ständigem Kontakt mit Landwirten und Jägern, informiere und kontrolliere sie.

Für Menschen und andere Tiere ist das Virus ungefährlich - selbst dann, wenn sie infiziertes Fleisch essen. Für Schweinehalter allerdings wäre ein Ausbruch der Seuche ein Desaster. „Tritt ein Fall von ASP auf, werden alle Schweine auf dem Hof gekeult und der Betrieb gesperrt“, informiert Dr. Christian Marquardt. Zudem würden im Umkreis die Auflagen verschärft und Handels- und Transportbeschränkungen verhängt. „Für Freilandhaltung werden das dann ebenfalls schwere Zeiten“, so der Leiter des Veterinäramts.

"Wir erwarten keinen massiven Seuchenausbruch"

Eine Schweinehochburg ist der Landkreis Esslingen nicht. Nur auf wenigen Höfen gibt es Schweine, und auch nur in moderaten Zahlen. „Wir erwarten deshalb auch keinen massiven Seuchenausbruch, der zu Hunderten von Existenzproblemen führt“, so Marquardt.

Dennoch: „Das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest hätte erhebliche Auswirkungen“, betont Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Esslingen. „Betriebe im Kreis, die Schweine halten, sind meist auf Direktvermarktung ausgelegt.“ Käme es zu Transport- oder Handelsverboten, würden mühsam geschaffene, regionale Lieferketten unterbrochen. „Sie müssten anschließend ganz neu aufgebaut werden“, zeigt sich Nägele besorgt. Viele Landwirte seien deshalb verunsichert: „Es herrscht große Anspannung.“

Karl Ederle gibt seine Weideschweinhaltung auf

So hat Landwirt Karl Ederle aus Bissingen beispielsweise seine Weideschwein-Haltung aufgegeben. „Ich fürchte, dass das Veterinäramt angesichts der Afrikanischen Schweinepest weitere Auflagen macht“, begründet er seine Entscheidung. Wäre ihm die Freilandhaltung untersagt worden, so hätte er einen Schweinestall bauen müssen. „Das tue ich mir nicht an“, so Ederle.

„Es ist momentan nicht einfach, Schweinehalter zu sein“, bestätigt Thomas Klein, der einen Hof in Wernau führt. Bei ihm gibt es Schweinefleisch aus hofeigener Schlachtung, von Tieren aus eigener Aufzucht. „Aber die meisten Leute ziehen es vor, billiges Fleisch im Supermarkt zu kaufen“, bedauert er. Überdies seien die Auflagen für die Schweinehaltung verschärft worden. „Wenn jetzt noch die Afrikanische Schweinepest kommt, geben noch mehr Landwirte die Schweinehaltung auf“, ist er überzeugt. Er kritisiert auch die Entschädigungspraxis. Zwar bekämen Bauern Geld, wenn ihre Schweine getötet werden. Einnahmeausfälle seien aber ihr eigenes Problem.

Noch immer zuversichtlich in die Zukunft blickt Petra Betz. Sie betreibt gemeinsam mit ihrem Mann einen Hof in Laichingen und verkauft ihre Produkte in einem Wagen auf dem Kirchheimer Wochenmarkt. Ihre 300 Schweine leben im Sommer auf der Weide und dürfen auch im Winter ins Freie. „Wir haben besondere Vorschriften“, sagt sie. So sei etwa eine doppelte Umzäunung Pflicht, damit sich ja keine Wildschweine nähern können. „Allzu große Angst vor der Afrikanischen Schweinepest haben wir nicht“, sagt sie. Denn durch die Abläufe auf dem Hof sei das Ansteckungsrisiko minimal: „Zu uns kommen keine fremden Tiertransporter, und wir verfüttern nur hofeigenes Getreide.“

Appell an alle Bauern

Veterinär Dr. Christian Marquardt appelliert an alle Bauern, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden. „Sie müssen darauf achten, dass es keine Verschleppung über Futtermittel gibt und ja keine Essensreste verfüttern.“

Weil Wildschweine bei der Ausbreitung von ASP eine große Rolle spielen, stehen auch die Jäger im Fokus. Der Appell an sie: Schwarzwild scharf bejagen. „Die Wildschweinbestände steigen kontinuierlich an und müssen dezimiert werden“, weiß der Esslinger Kreisjägermeister Thomas Dietz und betont: „Wir sind verstärkt am Schwarzwild dran.“ So würden etwa revierübergreifende Drückjagden organisiert. Angesichts der großen Aufgabe, vor der die Jäger stehen, sind bereits die Jagdbedingungen gelockert worden. Es gibt aber weitere Forderungen: „Der Jagdverband versucht zu erreichen, dass die Sperren in Naturschutzgebieten gelöst werden“, nennt Dietz ein Beispiel. Auch der Verzicht auf die kostenpflichtigen Trichinen-Untersuchungen bei kleinen Wildschweinen sei ein Thema.

Während deutschlandweit immer wieder von Unstimmigkeiten zwischen Bauern und Jägern berichtet wird, scheint die Stimmung im Kreis noch gut zu sein: „Bauern- und Jagdverband stehen in intensivem Kontakt, und die Zusammenarbeit ist konstruktiv“, betont Siegfried Nägele.

Keine Gefahr für Menschen und andere Tiere

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine schwere Virusinfektion, mit der sich ausschließlich Haus- und Wildschweine anstecken können. Sie führt bei so gut wie allen erkrankten Tieren zum Tod.

Für Menschen und andere Haus- und Wildtiere stellt das Virus keine Gefahr dar.

Übertragen wird die Erkrankung in Europa durch direkte Tierkontakte - eine große Rolle spielen dabei Wildschweine -, aber auch über verseuchte Werkzeuge, Transportfahrzeuge, Wurst- und Fleischwaren.

Fleisch- und Wurstreste sollten deshalb nicht in offene Mülleimer oder an Stellen entsorgt werden, zu denen Wildtiere Zugang haben. Auch sollen keine Fleischprodukte aus Osteuropa eingeführt werden.

In Europa hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Ausbrüche gegeben. Derzeit sind vor allem osteuropäische Staaten betroffen, mit Polen und der Tschechischen Republik auch direkte deutsche Nachbarn.

Im Kreis Esslingen gibt es rund 100 Schweinehalter. Meist haben sie nur wenige Tiere. Lediglich zwölf Betriebe halten eine größere Anzahl von Schweinen.

Erstmals wurde die Afrikanische Schweinepest 1920 in Kenia beschrieben. In Afrika wird sie über die Lederzecke übertragen.bil