Coronavirus

Spitz auf Knopf kalkuliert

Corona-Hilfe Weil der Umsatz eingebrochen ist, sattelt eine Frickenhausener Näherei um. Statt Cabrioverdecke nähen die 30 Mitarbeiter jetzt Mund-Nasen-Masken. Reich wird die Firma davon aber nicht. Von Thomas Krytzner

Die „Eurotop“-Näherinnen produzieren mittlerweile Mundschutzmasken. Fotos: Thomas Krytzner
Die „Eurotop“-Näherinnen produzieren mittlerweile Mundschutzmasken. Fotos: Thomas Krytzner
Philipp Härtel
Philipp Härtel

Seit 1985 hat sich die kleine Näherei „Eurotop“ in Frickenhausen auf das Nähen von Cabriodächern spezialisiert. „Diese produzieren wir für Sattlereien, Autohäuser und die Automobilindustrie“, beschreibt Geschäftsführer Philipp Härtel seinen Betrieb, den er 2015 von seinem Vater übernommen hat. Doch mit Ausbruch der Corona-Pandemie sind auch bei der Näherei massenhaft Aufträge weggebrochen. Philipp Härtel bekam dies vor allem im Handel mit dem europäischen Ausland zu spüren: „Pakete mit Verdecken wurden an den Grenzen zurückgehalten und mit einem Corona-Aufkleber an uns zurückgeschickt.“ Dem Geschäftsführer blieben gerade mal zwei Wochen, um eine Lösung zu finden, um die drohende Kurzarbeit zu verhindern. „Mitarbeiterinnen kamen in der Zeit zu mir und baten inständig darum, bei der Vollzeit zu bleiben, da sie sich das Leben mit dem Kurzarbeitergeld kaum leisten können.“

Es dauerte nicht lange, bis Philipp Härtel eine passende Notlösung fand: Mund-Nasen-Masken produzieren. „Wir haben im Betrieb die erforderlichen Hilfsmittel wie Nähmaschinen und Stoffschneidewerkzeug, und unsere Mitarbeiter sind bestens ausgebildet.“ Rund eine Woche Vorbereitungszeit benötigte der Betriebsleiter, um die Produktion von Cabrioverdecken auf Masken umzustellen. „Wir erhielten auch gleich eine erste Bestellung über 1000 Stück und ein Krankenhaus hat sogar 2500 Masken angefragt“, freut sich Philipp Härtel. „Wir haben einen Zweischichtbetrieb eingeführt, um einerseits die nötige Kapazität zu haben und andererseits zum Schutz unserer Mitarbeiter. So sind nicht zu viele gleichzeitig in den Produktionshallen.“

Die Materialien, Stoffe und Elastik bezieht Philipp Härtel von lokalen Anbietern. „Wir haben das Glück, im Umkreis eine Weberei zu haben, die uns mit Baumwollrollen versorgt.“ Der Geschäftsführer hat sogar die Wahl zwischen beschichteter und unbeschichteter Baumwolle. „Mittlerweile können wir uns auch farblich austoben und individuelle Masken nach Kundenwunsch produzieren.“ Wer sich eine Mund-Nasen-Maske bestellen will, kann sich im Onlineshop umsehen. Dort beträgt die Mindestbestellmenge fünf Stück. Für Geschäftskunden produziert das Unternehmen ab 50 Exemplaren. Für die Mitarbeiter jedenfalls kam die Idee ihres Chefs zur rechten Zeit, und die Kurzarbeit konnte vorerst abgewendet werden.

Umdenken ist erwünscht

Bisher lebte die Näherei nach den Jahreszeiten. „Kurz vor dem Sommer steigen die Bestellungen für Cabrioverdecke, in der Winterzeit produzieren wir dann auf Lager.“ Allerdings werde es in diesem Jahr wegen der Pandemie voraussichtlich ganz anders kommen, bedauert Philipp Härtel die Geschäftsaussichten: „Viele Kunden ziehen derzeit Bestellungen oder Montageaufträge für die Verdecke zurück.“ Härtel überlegt sich bereits, ob die Produktion der Masken in den normalen Produktionsbetrieb eingeplant wird. „Da müssen wir jetzt die weiteren Entwicklungen abwarten, aber wir bleiben am Ball.“

Schwierigkeit hat der Betriebsleiter bei der Kommunikation mit möglichen Abnehmern der Masken. „Alle brauchen Masken, aber meist findet sich kein Verantwortlicher, der entscheiden kann. So hänge ich täglich am Telefon und rufe Krankenhäuser an.“

Reich wird die Näherei durch die Mundschutzmasken nicht. „Wir haben Spitz auf Knopf kalkuliert. In Deutschland ist das Textilgeschäft sowieso keine Goldgrube“, erläutert Härtel. Er ärgert sich zudem über die Wucherpreise, die zum Teil für Masken verlangt werden: „Wer aus der Krise versucht, Kapital zu schlagen, wird es früher oder später zu spüren bekommen.“

Der „Eurotop“-Chef erklärt auch, warum die Masken nicht zu geringen Centbeträgen zu bekommen sind: „Qualität hat ihren Preis. Wir verdienen kaum was dran, wollen aber unsere Mitarbeiter möglichst im Betrieb halten.“ Derzeit sieht es danach aus, dass Philipp Härtel sogar noch mehr Personal einstellen kann. „Es gibt genügend Arbeitsschritte, die auch Ungelernte erledigen können.“ Damit denkt der Betriebsleiter unter anderem an das Zuschneiden des Stoffes nach Schablone, die Vorbereitung oder das Einziehen des Bügeldrahts. Ungemach droht derweil von spezialisierten Anwaltsbüros, wie Philipp Härtel verärgert berichtet: „Ich finde es dreist, dass in der schwierigen Situation Abmahnanwälte versuchen, mit Spitzfindigkeiten Geld zu machen.“