Kirchheim

Sprechen, aufnehmen, abhören; Sprachnachrichten per Handy: Fortschritt oder Ärgernis?

Streitgespräch Statt zu telefonieren oder zu schreiben, verschicken immer mehr Menschen gesprochene Nachrichten. In der Redaktion sind die Praktikantin und der Redakteur ganz unterschiedlicher Meinung. Ein Pro und Contra.

Sprechen, aufnehmen, abhören
Sprachnachrichten abhören in typischer Position. Foto: Jean-Luc Jacques

Pro: Alicia Schaub, Praktikantin:

Wer kennt das nicht: Hunderte von Informationen müssen ganz dringend einer bestimmten Person mitgeteilt werden. Soll ich die etwa alle in eine einzige winzige Textnachricht verpacken? Das Ergebnis ist grauenhaft: eine endlos lange Textnachricht, bei der es unmöglich ist, den Überblick zu behalten - ich schaffe es nicht und der Empfänger erst recht nicht.

Was nun? Keine Panik - seit einiger Zeit gibt es die Lösung: Ein Knopfdruck auf ein kleines Mikrofonsymbol auf meinem Display rettet mich. Ich kann so eine Audiodatei aufnehmen. Wie eine SMS sende ich diese Sprachnachricht dann an den Empfänger. Einfach genial! Ich kann mir mein Anliegen von der Seele reden, ganz so, als würde ich mit der Person direkt reden.

Vorteile hat dies auch für den Empfänger: Er kann die Nachricht dann abhören, wenn es ihm passt, und hat das Gefühl, direkt mit mir zu kommunizieren. So entsteht ein Mix, der besser nicht sein könnte. Die Sprachnachricht rettet nicht nur vor peinlichen schriftlichen Formulierungen. Nein, sie spart auch enorm Zeit. Denn es dauert ewig, bis ich jede einzelne Buchstabentaste auf dem Touchscreen des Handys gedrückt habe. Da bin ich per Sprachnachricht schon längst in einem anderen Chat.

Außerdem muss ich nicht mehr stehen bleiben, um zu tippen, sondern kann nebenher zum Bus laufen. Kann schon sein, dass sich der ein oder andere schon einmal gewundert hat, wenn sich jemand in der Stadt sein Handy seltsam vor den Mund hält. Aber wenn ich ehrlich bin: Ich habe mich an diesen Anblick längst gewöhnt. Anfangs waren auch schnurlose Telefone gewöhnungsbedürftig. Heute dagegen fragt sich niemand, warum jemand beim Telefonieren das Smartphone merkwürdig ans Ohr hält. Oder?

Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Einfach eine Sprachnachricht ins Mikro sprechen, aber die Worte automatisch in eine Textnachricht umwandeln lassen. Man sieht also: die Sprachnachricht ist für jeden was.

 

Contra: Thomas Zapp, Redakteur

Wenn ich dieses Dreieck nur sehe, geht mir schon die Hutschnur hoch. Anstatt meine Whatsapp-Nachricht geräuschlos lesen zu können, muss ich nun auf dieses Nerv-Symbol klicken und mir mein Mobiltelefon ans Ohr halten, falls ich keinen Kopfhörer dabei habe – was meistens der Fall ist.


Am besten sind dem Absender noch mehrere Dinge nacheinander eingefallen, die er mir dann in fünf Sprachnachrichten mitteilt. Ich muss also fünf Mal in den Whatsapp-Chat gehen und eine Nachricht anklicken. Bin ich dann bei der fünften angelangt, habe ich schon wieder vergessen, was in der ersten gesagt wurde. Ich kann ja auch nicht direkt antworten, müsste mir also Notizen machen. Wahrscheinlich erwartet der Absender auch noch, dass ich ebenfalls per Sprachnachricht antworte und mir das Handy derart vor den Mund halte, als wollte ich in das Display reinbeißen und dann mit leerem Blick ins Nichts spreche. Das sieht wirklich toll und intelligent aus. Vielleicht kann man es aus diesen Zeilen herauslesen: Die machen mich richtig aggressiv, diese Dinger!
Mir leuchtet partout nicht ein, welchen Fortschritt diese Art der Kommunikation bringen soll. Denn zwei wirklich große Vorteile der Whatsapp führt die Sprachnachricht ad absurdum: Zum einen die lautlose Kommunikation, die das Whatsappen für Wartezimmer und Zugabteile kompatibel macht. Zum anderen eliminiert sie die Archivfunktion. Wenn mir jemand eine Adresse geschickt hat oder eine Information, die mir nützt, brauche ich bei Texten nur nach oben zu scrollen. Und bei Sprachnachrichten? Genau, sehen alle gleich aus und müssten alle angeklickt werden. Nein! Weg damit, bäh. Ach so, beim Autofahren kann man eine Nachricht „sprechen“, dass man gleich zu Hause ist. Ok, das ist besser und richtiger, als während der Fahrt zu schreiben (nicht machen, lebensgefährlich!). Aber: Auch Aufsagen lenkt vom Verkehr ab.
Die Lösung: Man kann anhalten und etwas ganz Verrücktes tun: anrufen.