Coronavirus

Streit um Einsatz der Ärzte

Corona Landrat Heinz Eininger hat sich in einem Brief an die Kreisärzteschaft gewandt und mit klaren Worten mehr Engagement bei den Abstrichzentren in Nürtingen und auf den Fildern angemahnt. Von Iris Häfner

Der Betrieb am Corona-Abstrichzentrum in Nürtingen kann weiterlaufen.  Foto: Markus Brändli
Der Betrieb am Corona-Abstrichzentrum in Nürtingen kann weiterlaufen. Foto: Markus Brändli

Ein Schreiben von Landrat Heinz Eininger an die Ärzte hat bei den Adressaten keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Die Wortwahl ist recht deutlich, und es gibt ein Ultimatum: „Sollten sich bis übermorgen Abend, Mittwoch, 11. März, nicht ausreichend niedergelassene Ärzte und Helfer aus Ihren Reihen für einen Dienst im CAZ gefunden haben, droht der Einrichtung das vorzeitige Ende mangels Mitwirkung der Ärzteschaft.“ Es folgt der Zusatz, dass das CAZ (Corona-Abstrichzentrum) in erster Linie eine Entlastung für die hausärztlichen Praxen darstellt, und schon am ersten Tag 500 Abstriche gemacht wurden. Die würden bei einer Schließung der am Montag eingerichteten Zentren in Nürtingen und bei der Messe auf den Fildern alle in den Praxen aufschlagen.

„In der Sache stimmt das alles. Die Ressourcen und die Ärzte sind knapp“, sagt Dr. Wolf-Peter Miehe, Erster Vorsitzender der Kreis- ärzteschaft. Er und sein Kollege Dr. Rainer Graneis haben das Schreiben von Landrat Eininger bekommen. Das Alarmzeichen ist für Wolf-Peter Miehe, der seine Praxis in Weilheim hat, nachvollziehbar. „Vom Duktus her ist es aber nicht gerade hilfreich. Der Tonfall hat für erhebliche Wellen gesorgt“, erklärt der Arzt. Die Kollegen für den Einsatz im CAZ zu motivieren, sei damit nicht einfacher geworden. Die seien bei der aktuellen Erkältungs- und Grippewelle sowieso schon am Limit. „Die Praxen und Kollegen arbeiten alle am Anschlag. Das liegt am ganzen System, das seit Jahren auf Kante gefahren wird“, sagt Wolf-Peter Miehe. Er ist selbst erkältet, hofft jedoch, bereits heute wieder in der Praxis sein zu können.

Weil das System an der Grenze ist, es von Mitte November bis Ostern auch ohne Corona in den Kliniken immer „Gangbetten“ gibt - also de facto die Krankenhäuser über hundert Prozent ausgelastet sind -, wird jetzt alles versucht, den Gipfel der Corona-Infizierten so weit wie möglich nach hinten zu verschieben. Zeit soll gewonnen werden, denn Intensivbetten-Plätze sind knapp, ebenso Beatmungsplätze. „Das ist auch das Problem in Italien, wo es eine extrem hohe Sterblichkeit gibt“, sagt Wolf-Peter Miehe. Alle Patienten in Deutschland adäquat zu behandeln, sei auch ohne Corona eine Herausforderung. „Die Betten sind jetzt schon voll“, sagt der Arzt. Viele Schwerkranke würden jetzt schon zu Hause von den Hausärzten betreut. Bei ihm war es ein Patient mit Lungenentzündung. „Jetzt mit Ethos und Moral zu kommen, um nochmals ein paar Tropfen aus der ausgepressten Zitronen rauszuquetschen, halte ich nicht für zielführend“, so Wolf-Peter Miehe.

Auch Arztpraxen hätten wirtschaftliche Zwänge. Die Öffnungszeiten der CAZ von 10 bis 19 Uhr würden viele Kollegen vor ein Problem stellen, ebenso die medizinischen Fachangestellten. Das sei logistisch schwierig, erst recht für Praxen mit nur einem Arzt. „Was passiert mit den Patienten, die dann nicht in die Praxis kommen können? Das ist, als ob eine Maschine stillstehen würde. Mit einem Hintern kann ich nicht auf zwei Pferden reiten“, erklärt Wolf-Peter Miehe. Die eigenen Patienten müssten schließlich auch behandelt werden können.

Es gibt sie aber doch, die Kollegen, die ihren Dienst anbieten. Einer geht an seinem freien Nachmittag hin und sagt seine Hausbesuche ab.

Die Ärzte seien sehr wohl bereit, ihren Dienst im CAZ zu leisten, aber sie stünden im Dilemma, was in dieser Zeit in der Praxis passiert. Auch Wolf-Peter Miehe appelliert: „Jeder Arzt sollte sich angesprochen fühlen, nicht nur die Hausärzte. Ruheständler und Fachärzte wie Orthopäden oder Hautärzte können im CAZ arbeiten“, erklärt Wolf-Peter Miehe. Die Abstriche nehmen die Sprechstundenhilfen vor, es braucht jedoch einen Arzt zur Koordination. „Die Ärzte schauen auch darauf, ob es jemanden im Auto sehr schlecht geht, und fordern dann einen Rettungswagen an. Die Abstriche dürfen nicht ohne ärztliche Präsenz durchgeführt werden“, sagt Wolf-Peter Miehe.

„Die Ärzte müssen zu der Vereinbarung stehen“

Auf wenig Verständnis im Esslinger Landratsamt stößt die Aufregung der Ärzteschaft über das Schreiben von Landrat Heinz Eininger. „Das war ein dringender Appell an die Ärzte, damit wir die Corona-Abstrichzentren aufrechterhalten können. Wir nehmen ihnen schließlich wahnsinnig viel Arbeit ab“, sagt Pressesprecher Peter Keck. In den ersten drei Tagen wurden in Nürtingen und auf den Fildern insgesamt rund 1000 Abstriche gemacht.

Diese Arbeit haben bislang die Kliniken der Stadt Esslingen sowie die Medius-Kliniken des Landkreises Esslingen übernommen. Die Krankenschwestern wurden von ihrem Dienst freigestellt, um die Abstriche bei den Autofahrern vornehmen zu können. Die Klinik-Ärzte haben in den CAZ ihren Dienst geleistet.

„Jetzt müssen die niedergelassenen Ärzte ihren Beitrag dazu leisten. Von dieser Maßnahme profitieren sie schließlich selbst in hohem Maße“, erklärt Peter Keck. Ein Telefonat mit dem Patienten reicht, um ihn an das CAZ weiterzuvermitteln. „Die Ärzte müssen keine Abstriche nehmen, sie sparen sowohl an Schutzkleidung als auch an Arbeitszeit. Da darf man erwarten, dass sie - wie vereinbart - Personal zur Verfügung stellen“, wird Peter Keck deutlich. Das sind nicht nur die Ärzte selbst, sondern eben auch das medizinische Personal, sprich die Sprechstundenhilfen.

Der Aufruf hat Wirkung gezeigt. „Er hat sich durchaus als sinnvoll erwiesen. Inzwischen ist das CAZ in Nürtingen gut bestückt mit Ärzten und Hilfspersonal aus dem Bereich Kirchheim und Nürtingen“, freut sich Peter Keck. ih