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Tabus darf es nicht geben

Die Stadt Kirchheim tut gut daran, frühzeitig auf eine finanzielle Schieflage hinzuweisen, und sie tut gut daran, frühzeitig entgegenwirken zu wollen. Aber weder die Stadtverwaltung noch der Gemeinderat dürften sich sehr viele Freunde machen, wenn Projekte gestrichen oder auch nur geschoben werden. Jedes Mal sind sehr viele Bürger sehr direkt und sehr persönlich davon betroffen.

Ähnliches gilt für Zuschüsse, die sicher ihre Berechtigung haben, auch wenn es sich dabei um „Freiwilligkeitsleistungen“ handelt. Aber jeder einzelne Euro an Zuschuss, den ein Verein oder eine Organisation bisher bekommen haben, ist in deren Finanzplanung fest eingerechnet. Insofern wird sich die Stadt großen Ärger einhandeln, wenn sie daran etwas ändert. Und dazu muss der Zuschuss nicht einmal komplett gestrichen werden. Es genügt auch schon der bloße Gedanke an eine pauschale Kürzung aller Zuschüsse um zehn Prozent, und die Telefondrähte zum Rathaus laufen heiß.

Dasselbe trifft auf die Mitglieder des Gemeinderats zu: Auch sie werden unangenehmen Gesprächen mit ihren Wählern kaum ausweichen können, sobald die Streichliste wirksam wird – und wahrscheinlich schon lange vorher. Bestes Beispiel: die Nebenkostenbeteiligung für Vereine. Auch bei diesem Thema hat der Gemeinderat bereits lange diskutiert und sich stark gewunden. Eine Einigkeit dazu hat er aber ebenso wenig erzielen können wie bei der Frage nach dem gebührenfreien ersten Kindergartenjahr.

Deshalb wird jetzt vor allem der Gemeinderat gefordert sein: Jedes einzelne Mitglied muss Kritik und Beschwerden aushalten und muss immer wieder Mehrheitsbeschlüsse verteidigen – gegebenenfalls auch gegen die eigene Überzeugung. Noch schwieriger wird es aber, überhaupt zu Mehrheitsbeschlüssen zu kommen. Denn auch im Gemeinderat wird es – trotz grundsätzlicher Übereinstimmung beim Sparzwang als solchem – ganz unterschiedliche Vorstellungen darüber geben, wie das große Ziel erreicht werden soll.

Tabus darf es keine geben, das ist allen klar. Und trotzdem steht zu befürchten, dass jede Fraktion ihre eigenen Tabus auch weiterhin sorgsam hegen und pflegen wird. Sankt Florian, hilf!ANDREAS VOLZ