Kirchheim

Telefonbetrug vermiest Statistik

Kriminalität Laut aktuellen Zahlen der Polizei gehört der Landkreis Esslingen weiterhin zu den sichersten im Land. Sorge bereiten Telefonkriminalität und zunehmende Gewalt gegen Beamte. Von Thomas Zapp

Die Polizei rät, jeden Betrugsanruf zu melden, auch wenn er erfolglos war. Symbolfoto: Carsten Riedl
Die Polizei rät, jeden Betrugsanruf zu melden, auch wenn er erfolglos war. Symbolfoto: Carsten Riedl

Die gute Nachricht vorweg: In Notzingen sind im vergangenen Jahr keine marodierenden Banden eingefallen. Dass die Teckgemeinde 2018 im Vergleich zum Jahr 2017 bei der „Kriminalitätsbelastung“ eine Zunahme von 150 Prozent zu verzeichnen hat, ist der geringen Zahl von Straftaten zuzuschreiben, derer sich Notzinger 2017 rühmen durften. „Im vergangenen Jahr hat sich der Wert wieder normalisiert“, erklärt Polizeipräsident Alexander Pick bei der Präsentation der Kriminalitätsstatistik des Polizeipräsidiums Reutlingen, zu dessen Einzugsgebiet auch der Landkreis Esslingen gehört. In absoluten Zahlen bedeutet das einen Anstieg von 28 erfassten Straftaten im Jahr 2017 auf 70 im vergangenen Jahr. Ähnliches gilt für die Zunahme von 71,8 Prozent in Bissingen (von 39 auf 67) und die 69 Prozent in Holzmaden (von 29 auf 49). Kirchheim liegt mit einem Plus von sieben Prozent (2 396 auf 2 564) innerhalb der statistischen Norm.

Der Landkreis Esslingen gehört mit Reutlingen und Tübingen zu den sichersten Regionen Deutschlands gehört, wie Polizeipräsident Professor Alexander Pick betont. Auch wenn man zu 2017 ein Plus von 1,2 Prozent verzeichnet, liegt die Region mit 4 569 Straften pro 100 000 Einwohner unter dem Landesschnitt von Baden-Württemberg (5191).

Zu den guten Nachrichten gehört, dass bei Kindern und Heranwachsenden 23,3 und 14,3 Prozent weniger Tatverdächtige registriert wurde. Rückläufig ist auch die Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger. Sie liegt bei 7 561 im Vergleich zu 7 690 im Vorjahr. Allerdings hat die Zahl tatverdächtiger Asylbewerber und Geflüchteter zugenommen, die mit 2 027 ein Viertel stellen. Bei den aufgeklärten Straftaten ist ihr Anteil deutlich gestiegen, vor allem bei Körperverletzung und Diebstahlsdelikten. „Die Tatorte verlegen sich zunehmend aus den Asylbewerberheimen in den öffentlichen Raum“, sagt Alexander Pick. Das beeinträchtige das Sicherheitsgefühl der einheimischen Bevölkerung. Während sich 2017 mehr als ein Viertel der Straftaten in den Unterkünften ereigneten, war es im vergangenen Jahr nur noch knapp ein Fünftel. So steige der Anteil der Geflüchteten oder Asylbewerbern auch bei der Straßenkriminalität bei insgesamt fallenden Zahlen.

Sie sind aber nicht verantwortlich für das leichte Plus in der Kriminalitätsstatistik von 1,2 Prozent. Das ist vor allem einer bestimmten Art von Kriminalität geschuldet: Im vergangenen Jahr sind im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen 1 514 Fälle des Callcenter- oder Telefonbetrugs registriert worden. Davon waren 66 „erfolgreich“ und verursachten einen Schaden von knapp 700 000 Euro. „Obwohl zwischenzeitlich nahezu 96 Prozent der Angerufenen den Betrugsversuch erkennen, finden die Täter immer noch Opfer, die bereit sind, ihre Wertsachen den vermeintlichen Polizeibeamten oder Kurieren der angeblichen Angehörigen zu übergeben“, sagt der Polizeipräsident. Die Masche wird immer ausgeklügelter. Mal geben sich die Anrufer als Angehörige in Notsituationen aus („Enkeltrick“), ein anderes Mal werden die Opfer aufgefordert, ihre Wertsachen angeblichen Polizeibeamten zu übergeben, aus Schutz vor Einbrechern. „Dabei wird das Vertrauen in die Polizei ausgenutzt“, sagt Alexander Pick. Operiert würde meistens von Callcentern in der Türkei. Bei den Tätern handele es sich oftmals um abgeschobene Straftäter, die perfekt deutsch sprächen und sogar den Polizei-Slang beherrschen.

Ein weiteres Problem ist die zunehmende Gewalt gegenüber Polizeibeamten. Im Jahr 2018 sind 376 Straftaten verzeichnet, vier Beamte wurden schwer verletzt. „Offenbar gibt es eine Werteerosion in der Gesellschaft“, sagt Alexander Pick. In 84 Prozent der Fälle sei Alkohol im Spiel gewesen. Große Hoffnung setzt der Polizeichef aber auf den Einsatz von Bodycams, mit denen Einsätze in bestimmten Fällen dokumentiert werden. Die ersten Ergebnisse würden in Kürze präsentiert.

Die wichtigsten Zahlen

47 697 Straftaten wurden 2018 im Landkreis Esslingen verübt. Diebstahlsdelikte bilden mit 13 483 Fällen den Großteil, nahmen zu 2017 um neun Prozent ab.

Bei Wohnungseinbrüchen haben sich die Zahlen seit 2014 (1 045) nahezu halbiert. Im vergangenen Jahr waren es 543. Von 58 Tatverdächtigen besaßen über 65,5 Prozent keine deutsche Staatsangehörigkeit.

Gewaltkriminalität bleibt mit 1 629 Fällen auf Vorjahresniveau. Tötungsdelikte sind um acht auf 38 Fälle gestiegen, darunter ein Raubmord in Neuhausen/Fildern. In 28 Fällen blieb es beim Versuch. Bis auf Tötungsversuche in Kirchheim und Reutlingen konnten alle aufgeklärt werden.

Fälle gegen sexuelle Selbstbestimmung sind 2018 um 25 Prozent auf 801 angestiegen. Grund: Die Einführung neuer Straftatbestände wie „Sexuelle Übergriffe nach 177 StGB“ und „Sexuelle Belästigung nach § 184i StGB“.zap