Kirchheim

Unter ihren Händen entstehen wirklich blühende Landschaften

Natur Die Bissingerin Annegret Kostalek hat auf einem Fleckchen Land ihren Kampf für den Erhalt der Blumenwiesen begonnen und hofft jetzt auf viele Nachahmer. Von Thomas Zapp

Erlebt in ihrer selbst angelegten Wildblumenwiese Glücksgefühle: Annegret Kostalek hatte erst im Mai ausgesät. Fotos: Carsten Ri
Erlebt in ihrer selbst angelegten Wildblumenwiese Glücksgefühle: Annegret Kostalek hatte erst im Mai ausgesät. Foto: Carsten Riedl

Helmut Kohls geflügeltes Wort der „blühenden Landschaften“ sollte vor 30 Jahren Hoffnung auf eine bevorstehende wirtschaftliche Blüte der neuen Bundesländer machen. Ob die Vision wahr geworden ist, darüber streiten sich die Geister bis heute. Wörtlich genommen hat sie dagegen die Bissingerin Annegret Kostalek, wenn auch in einem deutlich kleineren Rahmen. Mit der Saatgut-Mischung „Blühende Landschaft - mehrjährig“ hat sie ein Wiesenstück am Premiumwanderweg zur Teck bepflanzt.

Von dort reicht der Blick über sattes Grün bis zum Breitenstein. Doch Annegret Kostalek gefällt nicht alles, was sie sieht. „Hier ist alles gemäht“, sagt sie mit einem Blick auf eine Wiese. Sie würde sich wünschen, dass zumindest ein Teil der Grundstücke mit Wildblumen bewachsen ist. Wenn jeder Wiesen- oder Gartenbesitzer seinen Teil dazu beitragen würde und Wiesen nicht mit Rasenmäher oder Mulchgerät schneiden würde, sondern mit Sense oder Balkenmäher, wäre der Insekten- und Pflanzenwelt schon geholfen.

Wichtig sind heimische Sorten

Wie bei ihr: Auf ihrem Grundstück stehen nicht nur 25 Obstbäume, darunter ein 90 Jahre alter Birnenbaum, sondern auch 13 Bienenstöcke und seit Mai eben die knapp 100 Quadratmeter Blumenwiese, auf der es nur so von Insekten wimmelt. Knapp 50 verschiedene Pflanzen wachsen dort, von der wilden Möhre, Schafgarbe und Kamille über Kornblume, Steinklee, Malve und Salbei bis zu Kulturpflanzen wie Koriander, Fenchel, Petersilie oder wilder Rauke. „Es ist wichtig, gebiets- eigene Wildblumen und Wildgräser aus gesicherter Herkunft Deutschlands zu verwenden“, sagt sie. Denn sonst würden die einheimischen Sorten verdrängt. Nach einer Führung im Tuttlinger Karolinger-Klosternachbau „Campus Galli“ war die studierte Agrarwissenschaftlerin auf die Idee gekommen, die Nahrungsversorgung ihrer Bienen zu verbessern. Das sogenannte „Trachtfließband“ liefert den Insekten mit den entsprechenden Pflanzen in der Zeit von März bis Oktober ein lückenloses Pollen- und Nektarangebot. „So einfach ist es, etwas gegen das Insektensterben zu tun“, sagt Annegret Kostalek. Und auch gegen das Wiesensterben: Denn ohne Bestäuben gibt es auch keine nachwachsenden Blumenwiesen. Diese stehen in Deutschland seit einigen Jahren auf der Liste der gefährdeten Biotype.

Annegret Kostaleks Ziel ist es daher, möglichst viele Nachahmer zu finden. Sie verschweigt aber auch nicht, dass vor dem wunderbaren Anblick der blühenden Wiese mit den brummenden Insekten eine Menge körperlicher Arbeit steht. Denn den richtigen Erfolg bringt nur die gute Bodenbearbeitung vor der Aussaat. Wurzelun- kräuter wie Ampfer, Quecke, Distel oder Weißklee beeinträchtigen die Einwicklung und Optik der Wiese so sehr, dass oftmals noch einmal eingesät werden muss. Ein Pflug oder Grubber helfen da, manchmal kann es auch der Sohn sein, wie im Falle von Annegret Kostalek. Der hatte den Boden mehrfach umgegraben.

Wer sich aber die Mühe macht, wird belohnt. „Zu sehen, wie etwas wächst, das macht glücklich“, sagt die 63-Jährige. Wichtig sei auch der „Bodenschluss“ der Samen durch Anwalzen und Andrücken des Saatguts. Allerdings würde sie sich eine Ackerfräse wünschen, denn auf ihrem Grundstück hat sie noch einiges vor. Rund 100 Meter entlang der Längsseite will sie die Wildblumen sprießen lassen und ihren Bienen noch ein etwas größeres Paradies schaffen. Im kommenden Frühjahr muss sie die Pflanzen wieder schneiden, danach nur noch alle zwei Jahre. Insgesamt ist die Mischung für eine Standzeit von fünf Jahren konzipiert.

Was sich die ehrenamtliche Blumenwiesen-Bewahrerin künftig wünscht, ist ein Erklär- und Hinweisschild für Wanderer, die auf die Wiese aufmerksam gemacht werden sollen. „Ich würde auch gerne Kurse geben, um den Leute zu zeigen, wie man es richtig macht“, sagt sie. Wer kein eigenes Grundstück hat, kann auch Blütenpatenschaften übernehmen. Jeder könne einen Beitrag zu den blühenden Landschaften leisten, meint Annegret Kostalek und zitiert Albert Schweitzer: „Das Wenige, das du tun kannst, ist viel.“

Wer mehr zum Thema wissen oder Annegret Kostalek unterstützen will, kann eine Mail schicken an kostalek.annegret@gmx.net