Lokale Kultur

Unterschiedliche Körper verhandeln den Inhalt

„Badende Steine“ von Konrad Mühe: bis 8. März in der Städtischen Galerie im Kirchheimer Kornhaus

Kirchheim. „Beim Malen hat die Verbindung von Hand und Kopf nicht funktioniert, das war zu nah. Daher brauche ich die Kamera, ich muss einen Schritt weiter hinten stehen“, sagt Konrad Mühe, der 2006 vom Malereistudium in Halle zur UdK nach Berlin wechselte und

Kai Bauer

seitdem mit dem Medium Video arbeitet. Seine künstlerische Arbeit besteht aus Videos, die er in Installationen einbaut, und die sich in der Art, wie sie präsentiert werden, mit dem Raum verbinden.

Schon beim Betreten der Ausstellung wird der Besucher mit einer großen Holzplatte konfrontiert, die schräg im Raum aufgestellt ist und eine Art balancierende Wippe mit einer Stahltraverse bildet, auf der ein Videobeamer befestigt ist. Man steht also auch als Betrachter „weiter hinten“, denn man muss zuerst die seltsamen Konstruktionen im Raum entschlüsseln, um an das bewegte und meist farbige Bild heranzukommen. Dieses bildet jeweils den Köder, der den Betrachter wie eine flimmernde Belohnung im Aufbau eines Laborversuchs anlockt.

An der Rückwand des Raumes lehnt ein Flachbildschirm, der wie zufällig im Hochformat am Boden abgestellt wurde, und im hinteren Teil der Ausstellung hängt ein Beamer an Stromkabeln von der Decke bis auf die Höhe eines Bauchnabels herab. In der abgedunkelten Mitte des Raumes lockt das flirrende Licht der Videoprojektion in einem massiven Block aus Glasscheiben, ohne dass zunächst erkennbar wäre, was der eigentliche Film zeigt. Vier dieser Aufbauten bilden im Ausstellungsraum des Kornhauses eine Art Parcours. Vier Arbeiten erscheinen wenig, sie sind jedoch eine echte Herausforderung für den Betrachter, der sich jedes Mal in die verschiedenen Wahrnehmungsebenen hineinarbeiten muss. Denn Konrad Mühes Konzept ähnelt einem Labyrinth aus verschlungenen Bahnen, auf die die Betrachter mit ihren alltäglichen Wahrnehmungsmustern geführt werden.

Die in die Installationen eingebauten Videos zeigen einfache Objekte und Räume, die in kurzen Szenen verbunden sind. Grundprinzip der Videoclips ist der Loop, also die Endlosschleife. Zu sehen sind beispielsweise die Hände eines Jongleurs, die bewegte Schatten auf einer Wand bilden, oder ein menschlicher Körper, der von oben betrachtet im Wasser treibt. In verschiedenen Versionen treibt ihn die Strömung zwischen zwei Steinen hindurch. Auf die diagonale Holzplatte der Installation „a version of aversion“ werden Hände projiziert, die von oben ins Bild kommen. Sie scheinen Schauspieler auf einer Bühne zu sein und verhalten sich pantomimisch zueinander.

Der auf Bauchnabelhöhe abgehängte Beamer im hinteren Ausstellungsteil zeigt eine Kamera, die sich im Spiegel selbst filmt. Sie hängt dabei an einer Art Marionettengestell auf dem Rücken einer Person herab, die möglicherweise der Künstler selbst ist. Der Körper als Ganzes oder Hände als Körperteile werden in den Videos zu Objekten reduziert. Sie zeigen kaum den subjektiven Ausdruck oder die innere Bewegung, die normalerweise das Genre der künstlerischen Performance, von Tanz oder Schauspiel ausmachen. Konrad Mühe setzt den menschlichen Körper dezidiert als Element der bildenden Kunst ein, wie er auch das Medium Video extrem reduziert, indem er die Handlungsabläufe immer nur als kurze Schleifen zeigt, die mechanisch zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren.

Diese konsequente Fokussierung macht den Videoclip als Element der künstlerischen Installation deutlich und unterscheidet ihn damit formal von herkömmlichen Dokumentations- oder Unterhaltungsmedien. Dieses Medium wird damit etwas grundsätzlich anderes, als beispielsweise die Aufnahme mit dem Smartphone.

Konrad Mühe schafft eine ganz eigene Welt aus Elementen, die er aus der alltäglichen Wahrnehmung in langen Prozessen destilliert hat. Sie werden dabei so stark konzentriert, aber auch manipuliert, dass sie aus ihren Kontexten heraustreten. In der Ausstellung werden sie dann so eigenständig präsentiert, dass der Betrachter genötigt wird, sie wieder in die Kontexte der eigenen Erinnerung einzubauen. Beispielsweise sieht die Stahltraverse, die im Eingangsbereich den Beamer trägt und die große Holzplatte im Gleichgewicht hält, zunächst wie ein Stück industriell gefertigter Eventtechnik aus: Sie besteht aus drei Stahlrohren mit diagonalen Verstrebungen, wie man sie beim Aufbau von Konzertbühnen als Träger für Lichtelemente oder Boxen benutzt. Sie ist jedoch kein Fundstück und entspricht auch keiner DIN-Norm, denn der Künstler hat sie eigenhändig zusammengeschweißt. Sie ist kein Readymade, aber auch keine Attrappe, denn sie hat die Funktion, den Beamer zu tragen, aber in ihrer Form erinnert sie an eine bereits bekannte Ästhetik. Ebenso ist die Aufnahme des treibenden Körpers, die im Glasblock zu sehen ist, farbig manipuliert, sodass sie wie ein älterer, möglicherweise gefundener Filmausschnitt wirkt.

In Konrad Mühes Wahrnehmungslabyrinth gibt es nicht den einen Weg zum Ziel, sondern zahlreiche Alternativen und neue Assoziationen. Oder wie der Künstler es selbst formuliert: „Die unterschiedlichen Materialien, Oberflächen und Körper und die mit ihnen verbundenen Assoziationen verhandeln den Inhalt.“